Ein Motorradpolizist, ein Indianer, ein Soldat, ein Cowboy, ein Bauarbeiter und ein Biker: 1978 besangen diese fünf in einem zweideutigen Text das „YMCA" (Young Men's Christian Association) in New York. Torsten Bless (41) hatte 1983 sein Coming-out, arbeitet als Musikjournalist und DJ. Er erklärt im Interview, welche Bedeutung der Song für Homosexuelle hat.
Viele Homosexuelle behaupten, das Lied „YMCA" von den Village People habe für sie heute keine Bedeutung und werde nur noch auf Bierfesten von besoffenen Heterosexuellen gegrölt. Es liegt an der Zielgruppe. Ich lege regelmäßig auf Schwulenpartys in Köln auf, wo die Leute über 30 Jahre alt sind. Da kommt das Lied immer noch sehr gut an, weil YMCA ein absoluter Stimmungshit ist. Wenn einer jedoch sagt, das Lied sei für Schwule ein No-Go, kann ich das nicht nachvollziehen. Es ist kein besonders cooles Lied, ich persönlich mag es auch nicht. Jedoch war es damals bahnbrechend, weil die Village People Pionierarbeit geleistet haben. Heterosexuellen wurde erstmals eine schwule Lebensweise untergejubelt, verpackt im cleveren Disco-Sound der 70er-Jahre.
Das heißt, die Heteros haben damals gar nicht gemerkt, welche Attitüde bei den Village People mitschwingt? Nein, das wusste in erster Linie nur die Schwulenszene. Mit In the Navy, dem Nachfolgehit, wollte die amerikanische Regierung sogar um Rekruten werben. Die Kampagne wurde jedoch gestoppt, als irgendwann klar wurde, wofür die Village People stehen. Wie sind die Village People damals entstanden? Der schwule Erfolgsproduzent Jacques Morali aus Frankreich hat die Band Mitte der Siebziger zusammengecastet. Er lebte in den USA und wollte angeblich eine Gruppe zusammenstellen, die mehr dem amerikanischen Schwulenklischee entsprach. Also weg vom Tuntigen, hin zum betont Männlichen.
YMCA gilt heute als erste große Schwulenhymne. Kurz zuvor gab es ein Lied, das viel direkter war, heute jedoch nur noch wenige kennen: Glad To Be Gay von der Tom Robinson Band.
In den Siebzigern war schwules Leben noch weitgehend unsichtbar. Die Schwulenbewegung, die damals entstanden ist, war eher in Deutschland wie in Großbritannien eher im linken Spektrum angesiedelt. Glad to be gay vom offen schwulen Rocksänger Tom Robinson sollte nicht nur die Diskriminierung von Schwulen und Lesben anprangern, es sollte auch die eigenen Reihen aufrütteln, „aus dem Schrank zu kommen", ein Coming-out zu wagen.
Die Village People gibt es immer noch. Was machen die heute? Von der Ur-Band sind nur noch zwei Musiker dabei. Letztes Jahr haben die in Köln ein Konzert gespielt, vor einem weitgehend schwulen Publikum: der Generation, die mit dieser Musik schwul groß geworden ist.
Die Village People sind heute natürlich nicht mehr die einzigen Musiker, die für schwule Musik stehen. Es hat sich viel getan in den letzten 30 Jahren. Ja, in den Achtzigerjahren folgten Bands wie Bronski Beat, die sich im Gegensatz zu den Village People offen zu ihrer Homosexualität bekannten und einen schwul-agitatorischen Pop machten. Auch Frankie goes to Hollywood gehörten dazu, die unverblümt über die Freuden des schwulen Oralsex sangen. Heute gibt es Gruppen wie The Hidden Cameras oder Scissor Sisters. Dazu muss man sagen, dass die schwule Musik differenzierter geworden ist. In fast jedem Genre gibt es Künstler, die homosexuell sind oder für Homosexuelle eine Bedeutung haben.
(Auf der nächsten Seite: Schwule Hits 2008. Eine Top Ten, zusammengestellt von blu, dem schwulen Lifestyle-Magazin)
Schwule Hits 2008: Michael Rädel ist Chefredakteur von einem der führenden Szene-Magazine in Deutschland, dem blu-Magazin aus Berlin. Der Journalist hat für uns eine kommentierte Top Ten der Lieder zusammengestellt , die derzeit in den schwulen Discos und Clubs der Hauptstadt angesagt sind. (Die Village People fehlen - die mochte er noch nie.)