Heute soll es nun um die jüngsten Entwicklungen auf der Bliss Road gehen, einer Straße in Montpelier, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Vermont.
Seit Jahr und Tag fühlt sich ja diese Kolumne infrastrukturellen Belangen besonders verpflichtet, der Zustand von Straßen, Brücken und Wegen ist eines ihrer Hauptthemen. Immer wieder vertieft sich der Autor in die 182 Seiten des jüngst vom Bundeskabinett verabschiedeten Bundesverkehrswegeplans, Tag für Tag ist er persönlich auf Landes- und Lokalverkehrswegen unterwegs, um deren Zustand zu prüfen, im Minutentakt treffen bei ihm Berichte der Bevölkerung über Straßenkrater, asphaltuöse Verwerfungen und porösen Beton ein. Ein plötzlich aufgetretener Belagsriss im Dr.-Ingomar-Waldausky-Weg in Bad Schwürbelbach? Hier im Detail dokumentiert. Unangemessene Pfützenbildung auf der Bürgermeister-Müller-Magistrale in Knatterstadt am Sülzenberge? Hier längst bekannt. Vollsperrung der Rheinbrücke auf der Autobahn 1 bei Leverkusen im August? Hier vor Jahrzehnten angekündigt.
So geht es Stunde um Stunde, ein steter Strom von Informationen über Bordsteinkanten, Bürgersteige und Baustellen, aus dem aber nun ein Bericht über Vorgänge auf der eingangs zitierten Bliss Road herausragt. Diese Straße nämlich erhielt kürzlich auf einem Belagsqualitäts-Index, der von 1 bis 100 reicht (wobei 100 die Bestnote ist), nur eine schlappe 1, was dem Status der Unbefahrbarkeit mehr als nahe kommt. Als der lokalen Bauverwaltung die Klage eines mit Grundstück und Haus anrainenden Ehepaares zu Ohren kam, wonach man sich eine Verbesserung dieses Zustandes wünsche, warfen die Beamten einen Blick in ihren Asphalt-Etat und erblickten dort ähnlich tiefe Löcher wie auf der Bliss Road. Worauf man sich nicht für eine Neubedeckung der Straße entschied, sondern für das Gegenteil: Der Asphalt wurde entfernt und durch ein Art Schotter ersetzt, depaving nennt man das im Englischen, Entpflasterung. Durch derartige Maßnahmen auch andernorts habe man, ist aus den örtlichen Behörden zu vernehmen, 120 000 Dollar im Jahr gespart, viel Geld für eine Stadt, deren gesamter Bau-Haushalt 1,3 Millionen Dollar umfasst.
Bedenkt man, dass der erwähnte Bundesverkehrswegeplan bis 2030 die Ausgabe von 270 Milliarden Euro vorsieht, 96 Milliarden mehr als bisher, sieht der Fachmann, dass wir uns in die falsche Richtung bewegen. In harten Zeiten muss die Losung nicht Renovierung, sondern Rückbau lauten, nicht Neu-Teerung, sondern Ent-Teerung.
Macht aus Asphaltstraßen sauber gestampfte Lehmwege!
Schottert, was betoniert war!
Gebt den SUVs, die unsere Straßen füllen, eine Aufgabe!
Wenn man sich etwas nicht mehr leisten kann, ist Bescheidenheit das Gebot der Stunde. Was wir den Südländern predigen, muss für uns selbst gelten. Früher hat man oft keine Brücken gehabt, eine schöne Furt hat es getan. Mancherorts gibt es noch die gute alte Rheinfähre, damit ging es doch. Und wie leid sind wir die Baustellen auf den Autobahnen in der Urlaubszeit! Warum immer bauen, wenn es auch mit Nichtbauen geht? Wie schön könnte eine heiter-entspannte Fahrt mit dem Elektrorad über das befestigte, gras- und blumengesäumte Erdreich des Bundesfeldwegs Nr. 8 Richtung Salzburg sein, wo wir einst unsere Flüche in den Himmel überm Irschenberg schickten!
96 Milliarden mehr als bisher! Das griechische Staatsdefizit betrug 2015 nur 7,4 Milliarden Euro. Das heißt, wir könnten mit einer kurzen Überweisung Griechenland sanieren, hätten noch satt Geld übrig für die Verbesserung des Blumenschmucks in den Dörfern Vorpommerns, den Kauf von Rettungsringen für die steigende Zahl von Nichtschwimmern und die Finanzierung der durch die parteiinternen Streitigkeiten entstandenen zusätzlichen AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag. Und müssten nicht mal weniger Geld für den Straßenbau als bisher ausgeben.
Bliss Road bedeutet, sauber ins Deutsche übersetzt, übrigens Glückseligkeitsstraße.
Illustration: Dirk Schmidt