Zu den Hits der an Sensationen anscheinend nicht armen iranischen Drogenszene, las ich, gehöre der Genuss (Genuss?) der getrockneten Haut bestimmter Kröten, welcher interessanteste Halluzinationen hervorrufe. Auch habe ich von einer Kröte in Australien gehört, die ein Sekret absondert, das manche Australier von der Krötenoberfläche lecken, um mithilfe der enthaltenen psychoaktiven Substanzen der australischen Realität zu entkommen. Was für ein Leben muss man führen, um dies zu tun?
Eine andere Frage: Ergibt sich daraus eine Neu-Interpretation des Märchens Der Froschkönig? In dem eine Prinzessin einen Pakt mit einem Frosch (oder einer Kröte?) eingeht: Sie hat ihren goldenen Ball verloren. Der Frosch ist bereit, ihn zu holen, wenn die Prinzessin Essen und Bett mit ihm teilt. Kaum hat sie den Ball zurück, lehnt sie es ab, den Frosch bei sich aufzunehmen, wird jedoch vom Vater dazu gezwungen. Und wirft, als der Frosch sogar mit ihr schlafen will, das Tier gegen eine Wand – worauf es sich in einen Prinzen verwandelt. Hier muss man fragen, wieso ein König von seiner Tochter Sodomie mit einem Lurch verlangt. Und: Ist es möglich, dass die Berührung mit der Amphibienhaut bei der Prinzessin die Halluzination hervorrief, das Tier sei ein Prinz? Dass sie also drogen- oder doch krötensüchtig war? Wenn ich mich recht erinnere, wurde bei der Ernennung des Freiherrn von und zu Guttenberg zum Minister die These erwogen, der alte Adel habe uns moralisch und auch sonst dieses und jenes zu bieten. Ich weiß nicht…
Eine der Geschichten, die mich letzthin sehr bewegten, war die der Mücke, die angeblich anderthalb Jahre lang auf der Außenhaut der Internationalen Raumstation ISS überlebt hat. Sie war zu biologischen Experimenten ins All geschossen worden. Als sie wieder auf der Erde landete, habe sie sich bewegt, berichtete der Vizepräsident der russischen Akademie der Wissenschaften.
Zwar wurde dies von renommierten Mückenexperten bezweifelt. Aber was wissen wir von russischen Mücken? Von speziell ausgebildeten, an Entbehrungen gewöhnten postsowjetischen Insekten? Und was wird geschehen, wenn die Russen Trilliarden solcher Tiere ins All schießen, von wo sich die Pest unserer Sommer auf uns senken wird, um – aus unter der Strahlung des Alls ins Gigantische mutierten Rüsseln – alles Blut aus unseren verwöhnten Adern zu saugen?
Entschuldigung, ich rauche beim Schreiben zu viele zerstoßene alte Kolumnen…
D., mein Freund, mit dem ich als deutsches Team bei der Hypochonder-WM antreten will und der den zweiten Platz bei Deutschland sucht den Super-Hypochonder belegte, D. also entdeckte einmal an seinem Körper rote, juckende Stiche, deren Erscheinen von allgemeiner Leibesschwäche begleitet wurde. Gegen seine Gewohnheit suchte er keinen Arzt auf. Er hielt die Flecken für Flohbisse und hatte Angst, von dem Doktor für ein in verkommenen Umständen lebendes Subjekt gehalten zu werden.
Doch die Schwäche wurde schlimmer. D. tat etwas, was mich rührt: Er zog ein frisches Hemd sowie seinen besten Anzug an, band sich eine Krawatte um und ging in die Klinik. Dort fand er sich nach einer halben Stunde in einen Operationskittel gehüllt wieder. Er war von der Dornfingerspinne gebissen worden, der einzigen für Menschen bedenklichen Giftspinne in Deutschland. Und hatte sich beim Kratzen eine Blutvergiftung zugezogen. D. war krank. So etwas kommt bei Hypochondern vor.
Indessen: Man operierte nicht, sondern brachte ihn zur Beobachtung in ein Krankenzimmer. Dort lag ein ächzender Mensch. D. stellte sich vor.
Der Mann hieß Ergül. Er hatte sich bei einer Schlägerei einen komplizierten Beinbruch zugezogen. »Un du?«, fragte Ergül. »Was hass du?«
»Ach… Mückenstich«, sagte D., dem die Erklärung zu kompliziert war.
»Muckenschtisch…?«, kicherte Ergül. »Du biss in Klinik wegen Muckenschtisch?« Muckenschtisch. Spinnenbiss. Was weiß Ergül von den wahren Gefahren unseres Lebens?
Illustration: Dirk Schmidt