Es sind Osterferien, ich lese Herbert Rosendorfers Autobiographisches – Kindheit in Kitzbühel, eines der heitersten Bücher, die ich je in Händen hatte. Rosendorfer schildert darin die Jahre, die er als Kind von 1943 bis 1948 bei seinen Großeltern eben in Kitzbühel verbrachte. Zu den vielen wunderbaren und, so der Autor, meist wahren und selbst erlebten Geschichten in diesem Band gehört die seiner Großmutter, die im Familienkreis oft berichtete, wie äußerst mühsam die Geburt ihres ältesten Sohnes gewesen sei, Herberts späterer Onkel, ein die Gebärende so quälender, ja, ihr Leben gefährdender Vorgang, dass sie, als das Kind da war, allen Ernstes erwog, ihm den Namen Schmerzensreich zu geben, Schmerzensreich Rosendorfer.
Alle Einwände wischte die damals ebenso junge wie katholisch-fromme Mutter zunächst mit dem Hinweis auf Reimmichls Volkskalender beiseite, der offenbar den 11. September als Tag des Bekenners und Märtyrers Sankt Schmerzensreich verzeichnet. Dass der Knabe dann doch einen anderen Taufnamen, Friedrich, bekam, verdankte er den Hinweisen seines Vaters auf das wahrhaft schmerzensreiche Schicksal, das einem namens »Schmerzensreich« später auf dem Schulhof blühen würde.
So viel Glück hat nicht jeder im Leben. Bob Geldof hat vier Töchter, sie heißen Peaches Honeyblossom, Fifi Trixibelle, Pixie und Heavenly Hiraani Tiger Lily. In Schweden ist es erlaubt, seine Kinder Budweiser oder McDonald’s zu nennen. In Deutschland fielen erst tapfere Standesbeamte jenen Eltern in den Arm, die in die Geburtsurkunden ihrer Söhne Bierstüberl, Verleihnix oder Crazy Horse eintragen wollten, ein ganzes Schmerzensreich von Namen. David Beckham hat einen Sohn namens Brooklyn, Verona Pooth einen solchen, der San Diego gerufen wird oder jedenfalls gerufen werden könnte, wer ruft schon »San Diegoooo! Esseeen kommen!« Beide Namen wurden, wie es heißt, nach dem Ort der Zeugung gewählt. Auch bei Paris Hilton soll dies der Grund der Namenswahl gewesen sein, Glück gehabt, es gibt Fälle, da würde es auf »Unterhaching Holiday Inn« hinauslaufen.
Jedenfalls: Wenn es danach gegangen wäre, würde ich Braunschweig heißen oder Ehebett.Der amerikanischen Ausgabe von GQ entnahm ich jetzt, die republikanischen Präsidentschaftskandidaten hätten sich ihre Decknamen, mit denen ihre Leibwächter sie im Funkverkehr bezeichnen, selbst aussuchen können. Der erzkatholische Rick Santorum wählte natürlich »Petrus«, Mitt Romney hingegen »Javelin«, was vielleicht an ein Auto erinnern soll, das American Motors, die Firma seines Vaters, einmal baute. Andererseits gibt es auch eine Lenkrakete, die diesen Namen hat, jedenfalls ist es ungefähr so, als ob die Sicherheitsbeamten Helmut Schmidt »Pershing« genannt hätten oder Gerhard Schröder »Passat«. Aber wie würde ich heißen, wenn ich mir meinen Namen selbst hätte wählen dürfen? Oder wenn man sich eine Art Arbeitsnamen suchen könnte, nicht einfach ein Pseudonym, sondern einen Namen, den man nur im Beruf führt, wie die brasilianischen Fußballer, die neben ihren Taufnamen selbst gewählte Kampfnamen haben. Kaká von Real Madrid heißt in Wahrheit Ricardo Izecson dos Santos Leite, und der deutsche Nationalspieler Cacau wurde von seinen Eltern Claudemir Jeronimo Barreto genannt. Sein Bruder nannte ihn aber nie Claudemir, sondern Cacaudemir, und heute steht auf seinem Trikot eben: Cacau.
Kürzlich verschoss ein Brasilianer aus Mönchengladbach, Dante heißt er, einen entscheidenden Elfmeter gegen den FC Bayern, ihm kamen fast die Tränen, und Spiegel Online schrieb Dantes Inferno über den Bericht. Fast kommt es mir verschwenderisch vor, einen Fußballer »Dante« zu rufen, es ist doch ein Autorenname, und zum Kicker würde Handke passen oder Fußke. Aber dieser Dante heißt wirklich so, Dante Bonfim Costa Santos.
Was also steht auf dem Trikot, das ich am Schreibtisch trage? Kolumnus? Klang mir zu altbacken. Ich werd’s verraten: Columno.
Illustration: Dirk Schmidt