Vor ein paar Wochen habe ich hier einige Ideen zur Reform des Fußballs vorgetragen, mit deren Umsetzung die Sportart noch attraktiver würde: Eine Mannschaft, die in Rückstand gerät, dürfte demnach für fünf Minuten nicht nur mit elf, sondern mit 22 Leuten spielen. Unter den zusätzlichen, nur für diese fünf Minuten auflaufenden Kickern sollten sich nicht nur Profis, sondern auch dem Verein verbundene Zuschauer befinden. Fallen keine Tore, kann der Ball verändert, also zum Beispiel durch einen Tischtennis- oder einen aufblasbaren Wasserball ersetzt werden.
Diese Ideen werden seitdem im Weltfußball heftig diskutiert. Sie haben in der FIFA Sondersitzungen ohne Ende hervorgerufen. Schon während der Weltmeisterschaft war die Presse gefüllt mit Kommentaren dazu, und zeitweise gerieten die Spiele in Brasilien in den Hintergrund angesichts der Heftigkeit der Debatten.
Ich sehe mich deshalb veranlasst, mein Konzept anlässlich des Starts der Bundesliga-Saison zu erweitern und Vorschläge der Leser H. aus München und B. aus Nürnberg aufzugreifen. Beide regen an, Fußball nicht nur mit einem Ball, sondern mit zweien zu spielen. Wobei H. dies nur für Begegnungen mit dem FC Barcelona und der spanischen Nationalelf vorsieht, damit die Spanier ihr Ballbesitz-Spiel mit sich selbst ausmachen können. B. hingegen will grundsätzlich mit einem weißen und einem schwarzen Ball spielen, eine großartige Vorstellung.
Denn es bedarf keiner großen Fantasie, sich vorzustellen, welch rasantes Spiel der Zwei-Bälle-Fußball wäre: Mannschaften müssten gleichzeitig stürmen und verteidigen, weil die eine mit dem einen Ball angreift, während der Gegner mit dem anderen attackiert. Es könnte auch sein, dass zwei Bälle auf ein Tor rollen und das Publikum nicht wüsste, auf welchen es zuerst achten soll. Es könnten - zu gleicher Zeit - Tore auf beiden Seiten fallen. Oder würde als Treffer nur zählen, wenn beide Bälle im selben Tor landen? Das muss in den Gremien diskutiert werden.
Undenkbar wäre ab sofort fader Ballbesitz nur einer Mannschaft. Unmöglich wäre, dass eine Elf sich nur im Strafraum verbarrikadiert; sie hätte ja nur einen von zwei Bällen in ihren Besitz zu bringen, schon rollte der eigene Konter, und die eben noch Attackierenden müssten, während ihr Angriff läuft, ein paar Leute in die Verteidigung schicken.
Warum müssen erst meine Leser und ich solche Pläne vorbringen? Warum kommt nie der Fußballverband selbst auf solche Reformen? Warum beschäftigt sich die Bundesliga mit Nebensächlichkeiten wie dem Freistoß-Spray?
Wir hier in der Denkfabrik von Das Bällste aus aller Welt sind ja längst eine Stufe weiter. Hier wird an einem Konzept gearbeitet, bei dem jeder Spieler mit seinem eigenen Ball aufs Feld läuft. Hat er ihn im Tor des Gegners untergebracht, darf er sich für fünf Minuten ausruhen, danach betritt er mit neuem Ball wiederum das Feld, eine Vision des Fußballs, die der Unübersichtlichkeit einer globalisierten Welt endlich auf symbolischer Ebene gerecht würde.
Gleichzeitig schlage ich vor, -zwischen großen europäischen Mannschaften wie Real Madrid, Manchester United, dem FC Barcelona und dem FC Bayern einmal im Jahr ein Turnier auszutragen, in dem auf Bälle verzichtet wird. Das Spiel müsste als perfekt choreografierte Pantomime aufgeführt werden, ein Fußballett mit Spitzenballerinos wie Ronaldo und hingebungsvoll sterbenden Schwänen wie unserem lieben Elfmeterschinder Arjen Robben. Die Spieler wüssten auf Grund ihrer Vorgaben jederzeit, wo der imaginierte Ball gerade ist. Das Publikum jedoch wäre in seiner Vorstellungskraft gefordert: ein Spiel, das sich über die Banalität physischen Besitzes und greifbarer Realität erheben würde in neue Sphären.
Danke für den Beifall, liebe Fußballfreunde, danke! Ich verbeuge mich und ziehe mich zu weiterem Nachdenken zurück.
Illustration: Dirk Schmidt