Fußball ist das erfolgreichste Spiel der Welt, in allen Ländern der Erde wird es praktiziert. Trotzdem arbeitet man in den intimsten Zirkeln des internationalen Fußballs an dessen Weiterentwicklung in steter Sorge, die Menschen könnten das Interesse verlieren. Das Spiel wird in diesen Gremien komplett neu gedacht. Durch ein in Jahren aufgebautes System von Informanten, gezieltes Abhören von Entscheidungsträgern und die üblichen hohen Geldzuwendungen an Spitzel in den entsprechenden Kommissionen des Weltfußballs ist es mir zu Beginn der Weltmeisterschaft möglich geworden, einen Einblick in die Gedankenwelt derer zu bekommen, die über die Zukunft dieses Sports befinden.
Nur ein Beispiel: Jede Mannschaft hat elf Spieler. Muss das immer so sein? Wäre es nicht denkbar, dass eine Elf, die durch ein Tor in Rückstand gerät, für einen kurzen Zeitraum verstärkt wird? Für fünf Minuten dürfte der Trainer der Zurückliegenden also elf weitere Spieler bringen, seine Truppe stünde plötzlich mit 22 Mann auf dem Rasen, eine plötzliche Beschleunigung des Spiels wäre die Folge, ein rasender Wirbel setzte ein, die Führenden müssten sich massivster Überfälle erwehren – aber nur fünf Minuten lang. Dann wäre die Gelegenheit vorbei, die elf Zusätzlichen müssten wieder gehen.
Noch interessanter würde die Sache, wenn es sich bei dieser Zusatz-Elf um vor dem Spiel ausgeloste Anhänger der Mannschaft handelte, also nicht Profis das Feld beträten, sondern Menschen, die erst am Eingang zum Stadion erführen, dass sie heute für einen Einsatz vorgesehen seien. In wie unglaublicher Weise würde das die Spannung des Publikums auf dem Weg zum Spiel erhöhen: dass man weiß, man wird heute vielleicht die eigene Mannschaft unterstützen können, ja, müssen, kann sich nicht mehr in der Anonymität der Ränge verstecken, nicht in der Passivität der Masse, ihrem Geschimpfe und Gegröle verschwinden. Sondern wird Verantwortung zu übernehmen haben! Wie oft ist in der Politik von Bürgerbeteiligung die Rede? Der Fußball könnte vorangehen.
Anderes Beispiel: Wenn eine Mannschaft fünf Mal den Ball über das Tor des Gegners geschossen hat, zieht man Konsequenzen. Das Tor wird erhöht, seine Grundfläche aber bleibt unverändert, es wird also gleichzeitig schmaler. Geht der Ball hingegen wiederholt außen an den Pfosten vorbei, macht man das Tor breiter, jedoch niedriger. Solche Umbauten lassen sich heute schnell bewerkstelligen. Sie hätten zur Folge, dass mehr Tore fallen. Das Spiel würde abwechslungsreicher, jegliches monotone Geballere auf immer gleiche Tore wäre beendet. Vielleicht stünde am Ende eines Spiels der Torwart in einem Tor von der Breite einer Wohnungstüre, es wäre aber zehn Meter hoch. Muss man ja auch erst mal treffen!
Schließlich: Wer sagt, dass neunzig Minuten lang mit dem gleichen Ball gespielt werden muss?! Denkbar wäre, dass zum Beispiel nach einer torlosen halben Stunde der Ball verändert wird: Plötzlich müssten die Spieler nicht mehr mit der normalen Lederkugel zurechtkommen, sondern für zehn Minuten mit einem Tischtennisball. Oder einem Flummi. Man stelle sich die Erregung des Publikums vor, die Hektik der Spieler, wenn alle wissen: Geschieht nicht gleich etwas, sind die Männer der Lächerlichkeit eines Hartgummi-Hüpfballs ausgesetzt. Oder sie hätten irgendwie mit einem hüfthohen weichen Gymnastikball umzugehen, vielleicht auch (wie wir früher auf dem Pausenhof der Schule) mit einer zusammengedrückten Kakaotüte.
Auch denkt man in den Fußballgremien darüber nach, Strafen für Regelverstöße unterhaltsamer zu gestalten. Bei groben Fouls werden Spielern ihre hübschen bunten Schuhe weggenommen; sie müssen den Rest des Spiels barfuß kicken. Wer, wie Kevin Großkreutz, in Hotelhallen uriniert und betrunken mit Dönern um sich wirft, bekommt eine Saison lang Pampers-Werbung aufs Trikot und darf nur noch Shampoo mit Dönergeruch benutzen.