Der Sprach-Wertstoffhof (VI): Nachdem wir uns vergangene Woche im Zusammenhang mit dem Wort »Wasserwandschrank« mit spanischen Badezimmern beschäftigten, wendet sich unser Interesse nun Hundetoiletten auf Langeoog zu. Auf dieser Nordsee-Insel verbrachte das Ehepaar Z. aus Bayreuth den Sommerurlaub und brachte mir das Foto eines Schildes mit, auf dem eine Hundetoilettengebrauchsanweisung zu lesen ist, nämlich:
1. Beutel entnehmen
2. Hundekot mit umgestülptem Beutel ergreifen und zuknoten
3. Beutel einwerfen.
Herr Z. schreibt mir dazu, er sei froh gewesen, »dass meine Frau und ich keinen Hund haben, weil ich zwar keine Probleme damit hätte, den ›Hundekot mit umgestülptem Beutel‹ zu ›ergreifen‹, aber wie ich den Hundekot dann anschließend ›zuknoten‹ soll (mit oder ohne umgestülptem Beutel?), ist mir bis heute unklar. Vielleicht fällt Ihnen ja eine Lösung dazu ein.«
Nein, lieber Herr Z., auch mir bleibt diese Herstellung von Hunde-KNOT ein Rätsel, doch möchte ich auf die Internet-Seite der Firma »zooplus« verweisen, auf der »zooplus Kotbeutel« angepriesen werden, welche »optimal für unterwegs« seien. Auch hier heißt es: »Durch die Schlaufe oben kann die Notdurft ihres Hundes praktisch und schnell zusammengebunden werden.« Kotknoten scheint üblich zu sein, praktisch und schnell. Nie notdürftig bitte!
Nachdem wir angemessen über diese Fingerfertigkeiten gestaunt haben, komme ich – um im Zusammenhang zu bleiben – auf einen Brief von Frau Professor Dr. S. von der »Arbeitsstelle für Semiotik« an der Technischen Universität Berlin zu sprechen. Sie hat vor drei Jahren im Sprachreport einen wunderbaren Text zu einem Foto veröffentlicht, auf dem man einen großen Metalltank sieht. Auf dem Tank steht mit weißer Schrift geschrieben: »Ich bin ein 10 m3 Fäkalientank. Mich gibt es von 3 – 60 m3.«
S.’ Verblüffung und Staunen bezieht sich nicht so sehr auf das unverhohlene Selbstbewusstsein, mit dem sich ein »Ich«, am Straßenrand liegend, als Fäkalientank anpreist. Vielmehr beschäftigt sie sich mit dem »Mich gibt es von 3 – 60 m3.« Kann der Fäkalientank wachsen oder schrumpfen? Nein. Aber wer ist dann »Ich« beziehungsweise »Mich«? Ist es in Wahrheit ein »Wir« und »Uns«?
Freud habe uns gelehrt, schreibt S. in ihrem Aufsatz, die Psyche als vielschichtiges Gebilde zu sehen, in dem Ich, Es und Über-Ich miteinander ringen. Aber hat ein Fäkalientank eine Psyche? Leidet dieser am Multiple-Persönlichkeits-Syndrom? An einer hochreflektierten Variante gar, bei welcher der Betroffene weiß: »Ich bin viele«? Oder, wie S. fortfährt: »Ist es so deprimierend, ein Fäkalientank zu sein, dass man dieses Los nur durch Spaltung in verschiedene Ichs bewältigen kann (immerhin sind recht kleine Tanks dabei, die wohl weniger leiden)? Ein Bündel existenzieller Fragen, auf das die Linguistik keine Antworten weiß!«
Und ich auch nicht, wieder mal. Man muss sich auf dem Sprach-Wertstoffhof daran gewöhnen, vor Wörtern zu stehen, die wir nur für ein unbestimmtes Schicksal zwischen- oder endlagern können, weil sie rätselhaft bleiben. Wie es ja auch Frau S. geschah, die in einer zweiten Glosse (diesmal aus der Deutschen Sprachwelt) über das Angebot einer »City-Diver Tauchschule« zum kostenlosen »Schnuppertauchen« grübelt. Man sieht sie förmlich vor sich, wie sie hustend und keuchend an die Wasseroberfläche kommen: Schnuppertaucher. Und freut sich, dass wenigstens Fäkalientank-Verkäufer keine »Schnuppertage« anbieten.
Zum Schluss ein Schreiben von Herrn K. aus München, der kürzlich seinem Chef beichten wollte, er habe leider einige Unterlagen »verschmissen«. Sein Rechtschreibsystem, so teilte K. mir mit, habe indes das Partizip von »verschmeißen« nicht im Programm gehabt und so den Ausdruck »verschissen« vorgeschlagen. Dazu K.: »Ich mag mir nicht vorstellen, wie mein Vorgesetzter reagiert hätte, wenn ich in Übereile den Button okay angeklickt hätte.«
Moral: Übereile schadet immer, aber vor allem in sprachlichen Dingen.
Illustration: Dirk Schmidt