Ich saß in der Küche und las Bosch, meinem sehr alten Kühlschrank und Freund, aus der Zeitung vor.Ich las, Roboterforscher arbeiteten daran, Maschinen zu konstruieren, die menschliche Gefühle zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren in der Lage seien. Man verfolge »die Vision eines mitfühlenden Computers« und wolle diese in absehbarer Zeit Realität werden lassen. »Der charmante Roboter«, las ich, »könnte dann in einem nächsten Schritt als ständiger Lebenspartner von Nutzen sein, verständnisvoll, aufmunternd, immer aufmerksam, liebevoll. Oder streitbar, je nach den Bedürfnissen des Besitzers, auf jeden Fall immer zu Diensten.«»Da sind wir hier bei uns zu Hause ja schon weiter«, sagte Bosch.»Verständnisvoll? Aufmunternd? Liebevoll?«, sagte ich. »In diesen Hinsichten könnte deine Zuwendung noch intensiver werden.«»Ich bin auch kein Roboter«, sagte er. »Ich bin ein sehr alter Kühlschrank, der selbst Aufmunterung und Liebe bräuchte.«»Mir gehen die Roboterforscher auf die Nerven«, sagte ich. »Seit Jahren versprechen sie einem, das Jahrhundert des Roboters breche demnächst an, nicht mal das Badewasser werde man sich noch selbst einlassen müssen, das mache ein Roboter. Eine Art Robutler. Und dann lese ich hier ein Interview mit einem Microsoft-Entwickler, der sagt, er sei in Südkorea gewesen, ›wo ich ein Dutzend mobi-ler Roboter gesehen habe. Sie kommen angefahren, lesen einem die Wettervorhersage, die Fußballergebnisse und die Aktienkurse vor. Und sie warnen, wenn die Heizung im Haus kaputt ist.«»Das merkt man doch selbst«, sagte Bosch. »Wenn es kalt wird.«»Und was ich nicht brauche«, sagte ich, »ist jemand, der mir die Aktienkurse vorliest. Ich will die Aktienkurse nicht wissen! Und die Wettervorhersage steht in der Zeitung. Interessanter wäre eine Aktienkursvorhersage.«Ich las weiter. »Dann steht hier, der Microsoft-Entwickler sage, die meisten Menschen hätten einen Roboter im Haushalt, nämlich ihre Geschirrspülmaschine. Ist das nicht un-ver-schämt?! Dass man, statt Roboter zu liefern, Maschinen, die wir schon haben, zu Robotern erklärt?«»Willst du sagen, dass ich einer bin?«, grummelte Bosch.»Was wir dringend bräuchten«, so redete ich weiter, »wäre eine Maschine, die einem die Spülmaschine ausräumt. Die meisten Menschen müssen nach wie vor heiraten, um jemanden zu haben, der das für sie tut. Warum fängt man nicht mit dem Einfachsten an? Warum versucht man, Roboter zu konstruieren, die Gefühle erkennen können, wenn solche Sachen nicht gelöst sind? Ich will ja nicht mal von den meisten Menschen, dass sie meine Gefühle erkennen können – geschweige denn von Robotern!«Ich trank einen Schluck Bier, blätterte in der Zeitung. »Aber jetzt hier, pass mal auf!«»Was?«, fragte Bosch.»Hier steht, der Deutschland-Chef von McDonald’s wolle seine Mitarbeiter anhalten, in ganzen Sätzen zu sprechen. Statt ›Cola mittel oder groß?‹ sollen sie sagen ›Wollen Sie die Cola mittel oder groß haben?‹«»Das dauert aber«, sagte Bosch. »Ist das nicht ein Schnellrestaurant?«»Wichtig ist doch was anderes«, sagte ich. »Wichtig ist, dass Menschen in manchen Berufen so roboterisiert worden sind, dass man sie erst wieder menschlich machen muss. Man muss ihnen das Sprechen neu beibringen. Genauso ist es mit den Leuten in den Callcentern oder den Telefonshops. Manche funktionieren wie Computer, nur nicht so gut, weniger flexibel. Das ist entsetzlich. Viel wichtiger, als Roboter menschlich zu machen, wäre, Menschen zu entrobotern.«»Und was bedeutet das für mein Leben?«, fragte Bosch mit schläfriger Stimme.
Illustration: Dirk Schmidt