Kürzlich traf ich Bruno, meinen alten Freund, zu Gesprächen, die Rettung Griechenlands betreffend. Die Unterredungen waren von großer Offenheit und einer freundschaftlichen Atmosphäre gekennzeichnet, auch vom Verzehr alkoholischer Getränke, über deren Menge Stillschweigen vereinbart wurde.
Einigkeit bestand zwischen beiden Gesprächsparteien darüber, dass sie das Wort »Griechenland« allmählich nicht mehr hören könnten, ja, dass es schön wäre, auch die Wörter Tsipras und Varoufakis sowie weiterhin alle Namen, die mit -dopoulos oder -lopoulos enden, für einige Jahre nicht mehr vernehmen zu müssen, jedenfalls nicht in den Nachrichten. Wörtlich hieß es aus Teilnehmerkreisen, man habe »die Schnauze voll« von der Dauerbefassung mit G., es gebe noch andere Elfmillionenvölker mit Problemen auf der Welt, um die werde nicht so ein Gewese gemacht.
Von »Griechenland«, so Bruno, wolle er erst wieder hören, wenn es seine Probleme gelöst habe, nicht aber, solange es von anderen verlange, seine Schwierigkeiten zu beheben. Andererseits sei das Land ja nun mal seit Jahrhunderten chronisch pleite, bereits 1908 sei es aus einer Währungsunion, der Lateinischen Münzunion nämlich (der Frankreich, Belgien, Italien, die Schweiz und einige andere angehörten) geworfen worden. Es sei nicht zu erwarten, dass sich an dieser chronischen Insolvenzsehnsucht je etwas ändere - also: was tun?
Bruno plädierte dafür, ein Prinzip aus der Kindererziehung anzuwenden: materielle Zuwendung gegen Ruhe. Wie also Kinder immer wieder mit Lutschern, Eis, Keksen sowie Konsum von bewegten Bildern ruhiggestellt würden, könne man der griechischen Regierung finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, wenn sie sich im Gegenzug aus der Öffentlichkeit zurückzöge, von Bildern Yanis Varoufakis’, seines Motorrades und seiner Ehefrau in Gala oder Bunte seinetwegen abgesehen. Eine solche Maßnahme sei zwar moralisch fragwürdig, aber das sei das Verhalten der Griechen ja auch, bei denen die Durchschnittsrente höher als in Deutschland sei (von Lettland oder Litauen zu schweigen), die aber dennoch beklagten, sie lebten unter der Knechtschaft der Kanzlerin Merkel. Außerdem würde so die Energie ungezählter Minister, Beamter und Journalisten frei für Sinnvolleres.
Trotzdem müsse man natürlich nachdenken, wandte ich ein, woher das Geld für diese Maßnahmen kommen solle.
Das sei sehr einfach, dozierte Bruno. Bekanntlich seien die Griechen die Erfinder der Demokratie. Ihnen stünde dafür selbstverständlich eine Art Patent- oder GEMA-Gebühr zu, die von allen demokratischen Staaten regelmäßig an die Griechen zu entrichten sei. Das heißt, wo immer auf der Welt eine demokratische Wahl stattfinde, ob in Staaten oder auch nur im Sportverein, müsse ein Lizenzbetrag an Griechenland abgeführt werden, der sich am besten nach der Zahl der Wahlberechtigten richte – so erhalte der griechische Staat schon einmal ein regelmäßiges Grundeinkommen, ohne dass er auch nur einen Finger rühren müsse, um die Milliardäre des Landes endlich zur Zahlung ihrer Steuern zu zwingen oder die verrottenden Finanzämter des Landes in Stand zu setzen, die ihnen zustehenden Abgaben einzutreiben.
Damit aber nicht genug, so Bruno. In Griechenland hätten ja auch die ersten Olympischen Spiele stattgefunden, und zwar sowohl im antiken Olympia als auch 1896 im neuzeitlichen Athen, damals übrigens drei Jahre nach der griechischen Staatspleite von 1893 und von Spenden finanziert. Selbstverständlich sei es nicht mehr als recht und billig, wenn das IOC die für jedes Olympia-Fest eingenommenen Gelder an die griechische Regierung abführe, ja, im Grunde könne doch das olympische Komitee überhaupt die griechischen Schulden übernehmen.
Bruno und ich kamen überein, in absehbarer Zeit zu weiteren vertiefenden Gesprächen zusammenzutreffen.
Illustration: Dirk Schmidt