Oberste Regel im Umgang mit der ungewohnten Bohne: gute Miene zur Lupine.
Schön ist gar kein Ausdruck: Mit ihren blauen, gelben, violetten oder weißen kerzenförmigen Blüten sieht die Lupine aufregend aus und märchenhaft. Wenn viele Pflanzen bunt auf einem Feld nebeneinander blühen, bieten sie einen fast psychedelischen Anblick. Aber dieses wundersame Gewächs, auch Wolfsbohne genannt, kann noch weitaus mehr, als nur schön aussehen. Der hohe Eiweißanteil ihrer Bohnen macht die heimische Lupine zur umweltfreundlichen Alternative für die Königin der Eiweißlieferanten: die Sojabohne.
Verwandt ist die Lupine mit Kichererbse, Erbse und Erdnuss. Ihr hoher Anteil an Bitterstoffen, Alkaloide genannt, bescherte der Lupine lange einen schlechten Ruf. Dann haben viele Jahrzehnte der Zucht sie süß und bekömmlich gemacht, aber immer noch blieb sie weitgehend unbeachtet, außer vielleicht als Viehfutter. Und, immerhin, in einigen Mittelmeerstaaten kommt sie gut an, in Portugal zum Beispiel schätzt man sie als Snack zum Bier. Ihre mehligen Kerne heißen dort Tremoços und werden in Wasser eingelegt. In Deutschland wachsen Lupinen nur auf 0,2 Prozent der knapp zwölf Millionen Hektar Ackerflächen. Und das, obwohl sich die Pflanze auf Deutschlands Böden äußerst wohlfühlt, besonders im Sand von Mecklenburg-Vorpommern.
Jetzt wollen Wissenschaftler und Unternehmer die Pflanze auch hier besser nutzen. Eine getrocknete Lupine besteht schließlich fast zur Hälfte aus Eiweiß. Tofuwürstchen, Kraftfutter für die Viehwirtschaft, Milchersatz – unzählige pflanzliche Eiweißprodukte kommen bislang nicht ohne Soja aus. Deutschland muss davon jährlich gut 4,5 Millionen Tonnen importieren. Bei dieser Abhängigkeit sind Verbraucher machtlos, wenn Saatgutkonzerne wie Monsanto 90 Prozent der Sojapflanzen in Brasilien und in den USA genverändern. In brandgerodeten Monokulturen wächst die Sojabohne gerade dort am besten, wo stattdessen Regenwald hingehören würde. Der aufwendige Transport aus Südamerika und Asien nach Europa verschlechtert ihre Klimabilanz weiter.
Die Lupine hat da viele Vorteile: Sie kommt aus der Region und musste keine Fummeleien im Erbgut erdulden. Der Anbau in Deutschland bedeutet weniger Zerstörung in den Tropen. Außerdem profitieren hiesige Äcker, wenn die Lupine auf ihnen wächst, denn mit ihrer bis zu eineinhalb Meter langen Pfahlwurzel düngt und lockert die Pflanze das Erdreich. Im Frühjahr bereitet sie karge Sandböden dadurch besonders gut auf den hungrigen Weizen im Sommer vor. Obendrein bringt sie Bakterien mit, die an ihren Wurzeln Stickstoff binden und den Boden anreichern: Mit den Lupinen schaffen Bauern Fruchtfolgen nach Lehrbuchart.
Werden sich Kinder nun vor Lupinen auf dem Mittagsteller grausen? Eher nicht – zumindest werden sie die Lupinen nicht bemerken. Denn auch das verbindet die Lupine mit dem Soja: Sie kommt meistens in verarbeiteter Form zum Einsatz. Peter Eisner, Verfahrenstechniker für Lebensmittel, und sein Team vom Fraunhofer Institut in Freising haben die Lupine in ihr Labor geholt und Verfahren entwickelt, die nur das Lupineneiweiß ohne Bitterstoffe als Füll- und Emulgatormittel gewinnen. So wird die Wolfsbohne zum Inhaltsstoff von Veggiewurst, laktosefreier Milch und Eiscreme. Die neue Lupinenmasse ist so cremig, dass sich mit ihr Pralinen füllen lassen – bei halber Kalorienzahl. Dafür haben die Forscher den Deutschen Zukunftspreis 2014 gewonnen. Und der Münchner Koch Peter Ludik serviert in seinem veganen Restaurant »Max Pett« Filets aus Lupinenmasse, die es auch in vielen Bioläden gibt. Sie sind fest, aber weniger faserig als Soja. Ludik empfiehlt sie vorgegrillt in einer Gemüsepfanne – oder mit veganem Käse überbacken.
Illustration: ZELOOT