Der Berliner Klub »Kater Holzig« ist bekannt für seine harte Tür. Sonntags lässt Steffi-Lotta, die Türsteherin, kaum jemanden herein, den sie nicht kennt, montags erst recht nicht.
Das Restaurant »Katerschmaus« ist bekannt für sein argentinisches Rinderlendensteak an einer Rotwein-Rosmarin-Reduktion mit Bohnen im Speckmantel und Ofenkartoffeln. Auch das Esslokal ist gut gebucht.
Der Electroklub und das anspruchsvolle Restaurant liegen im selben Haus und werden von denselben Leuten betrieben. Das funktioniert auch meistens. Einmal allerdings nicht: Steffi-Lotta, die Türsteherin, nimmt tagsüber Reservierungen fürs Restaurant entgegen. Als die Tester des Gault Millau einmal ganz kurzfristig einen Tisch bekommen wollten, sprachen sie ihre Bitte auf die Mailbox. Aber Steffi-Lotta rief nicht zurück – von dem Restaurantführer hatte sie noch nie gehört.
Im »Kater Holzig« und im angeschlossenen »Katerschmaus« arbeiten viele Quereinsteiger in die Gastronomie, junge Leute, die nie eine Berufsfachschule besucht oder eine Lehre absolviert haben. Der Chefkoch Hayk Seirig schon, er kennt den Gault Millau und fühlte sich von dessen Neugier durchaus geschmeichelt, aber ihm ist Steffi-Lottas Missgeschick ganz recht: »Ich bin froh, dass die Tester keinen Tisch bekommen haben. Ich möchte hier weiterhin Bohneneintopf kochen können, wenn mir danach ist, statt irgendwelche Gourmetwünsche zu erfüllen.«
Das »Katerschmaus« ist in mancher Hinsicht ein ungewöhnliches Lokal, selbst für Berlin-Mitte: An den Wänden hängen ausgestopfte Tiere zwischen eilig übermalten Graffiti. Stühle, Tische, schwere Ledersofas stammen aus Haushaltsauflösungen oder vom Flohmarkt – trotzdem finden sich auf der Karte Hauptgerichte für knapp dreißig Euro.
Das Personal versteht sich als Kommune: »Wir arbeiten hier nicht nur, um Geld zu verdienen. Wir wollen hier zusammen leben«, sagt Juval Dieziger, einer der sieben Gesellschafter. Er hat Koch gelernt und als Theaterschauspieler gearbeitet. Vieles wird gemeinsam entschieden: etwa auf Werbung zu verzichten, auch auf den Auftritt bei Facebook: »So was zerstört den Mythos des Ortes.« Strittig ist, ob man mit Journalisten reden soll. Steffi-Lotta, die Türsteherin und eine der Gesellschafter, verschweigt jedenfalls lieber ihren Nachnamen, sogar den Grund dafür.
Der Charme des Lokals und die Qualität des Essens haben sich auch so rumgesprochen. Luxushotels schicken ihre Gäste vorbei für Steckrübensuppe mit geräucherter Entenbrust, konfierte Lotte im Pancettamantel oder Kräuterschwein, gefüllt mit Gorgonzola. Man sitzt schön im dritten Stock mit Blick auf Spree und Fernsehturm. Die meisten Angestellten des »Kater Holzig« haben schon in der legendären »Bar 25« zusammengearbeitet, genau gegenüber, auf der anderen Spreeseite. Die »Bar 25« war auch Klub und gehobenes Restaurant in einem. Barmänner und -frauen wohnten hinter der Tanzfläche, zumindest im Sommer, wenn es im Holzverschlag warm genug war. Als das Provisorium letztes Jahr abgerissen wurde, zogen sie ans andere Ufer und renovierten die Fabrikruine – mit alten Brettern aus der »Bar 25« und neuen, schallisolierten Fenstern.
Fünfzig Leute arbeiten seit diesem Sommer Vollzeit im »Kater Holzig«, weitere 150 haben Teilzeitstellen. Der Mietvertrag läuft nur zwei Jahre, dann kommen Büros in das Haus.
»Katerschmaus« wird exportiert: In Mexiko eröffnen die Gesellschafter über den Winter ein Pop-up-Restaurant mit Bar in einem Designhotel in Tulum, an der Küste südlich von Cancún. Einige Stehlampen aus den Fünfzigerjahren und präparierte Tierköpfe wurden bereits verschifft. Weihnachten eröffnet die mexikanische »Katerschmaus«-Filiale.
Katerschmaus, Michaelkirchstr. 22, Berlin, Tel. 030/51 05 21 34,
Fotos: Carolin Saage