Völlig überarbeitet? Her mit dem Nihilist!

Wenn unsere Autorin sich fühlt wie ein Schwarzes Loch, ist dieser Cocktail die Heilsalbe, die sich an seine Ränder legt.

Ist unsere Autorin verbraucht, ist es, als sterbe ein Stern in ihr. Dann greift sie gerne nach diesem dickflüssigen, hellen Zeug. 

Foto: Maurizio Di Iorio

Es kommt nie wirklich überraschend, es kündigt sich an, in den Zeiten der Supernova. Kurz und pathetisch gesagt: Immer wenn in mir ein Stern stirbt, entsteht ein Schwarzes Loch, das alle umliegenden Sterne frisst. Kurz und prosaisch gesagt: Wenn ich überarbeitet bin, bin ich halt auch wirklich richtig überarbeitet und liege voll auf der Schnauze.

Dann lehne ich alles ab: Ideen (lasst mich). Systeme (sowieso). Werte (haha). Moral (HAHAHA). Gesetze (wozu). Links-Rechts-Regel (fuck off).

Dann oszilliere ich permanent zwischen Pathos und staubtrockener Prosa gegenüber mir selbst, dann bin ich kaputt und zerbrochen und habe dermaßen den Arsch offen, dann liegt mein Herz in Stücke gerissen in einer dunklen Ecke, und ich könnte mir richtig einen ins Regal stellen, dann bin ich in endloser Ödnis, und das Einzige, was hilft, ist tatsächlich, mir richtig einen ins Regal zu stellen.

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Also sitze ich am Tresen und sage: »Kennt ihr schon The Nihilist, das ist das, was ich jetzt brauche.«

Irgendwer erbarmt sich und fängt an, drei verschiedene Spiri­tuosen zusammenzuschütten, Wodka, Kahlúa und Frangelico, Milch und Sahne noch mit rein, plus ein bisschen geriebene Muskatnuss, hier bitte schön: dickflüssiges, helles Zeug.

Währenddessen dekonstruiere ich weiter vor mich hin, obwohl ich eigentlich dringend mal rekonstruieren müsste, was genau die Momente sind, die mich zu einem Schwarzen Loch werden lassen, aber nun gut.
Beziehungsweise: nein, schlecht.
Sehr, sehr schlecht.
Alles ist nichts.

Nichts ist irgendwas wert, nichts ist es wert, gehalten zu werden, auch ich nicht, besonders ich nicht. Ich lehne mich gegen mich selbst auf, lehne mich kategorisch ab, lehne sogar den Tresen ab, gegen den ich mich gerade lehne.

Ach, komm schon, sagt der Tresen, lean on me. Nein, sage ich. Lean on me, sagt das Leben. Nein, sage ich. Lean on me, sagt meine zerschossene Hülle, das ist doch wenigstens etwas, so eine Hülle, die kannst du nicht so einfach wegreden. Nein, sage ich, und wie du wieder aussiehst.

Und was ist mit mir und mit dir, sagt The Nihilist, was ist mit uns beiden, NEIN, sage ich, ich lehne das ab. Aber warum hast du mich dann bestellt, zu irgendwas muss das jetzt gut sein.

Ich finde keine Antwort, der Drink bringt mich an die Grenzen des Ablehnens, mit seinem neunmalklugen Einwurf.

So eine verdammte Scheißdebatte.
Hör mal, sage ich.
Ich höre dich, sagt der Drink.
Okay, sage ich, und nehme einen Schluck.

Wie Heilsalbe legt sich die cremefarbene Mischung an die Ränder des Schwarzen Lochs, das ich bin. Weicht die dichte, schwere Masse der dunklen Materie ein bisschen auf, und Schluck für Schluck zersetzt sich die Dunkelheit, wird durchlässiger, verliert erst an Anziehungskraft, dann an Kraft, dann an Bedeutung. Ich lehne mich an den Tresen, der stehen bleibt, ich lehne mich an die Welt, die mich umgibt, ich berühre die zerschossene Hülle, fühle die Umrisse und die Risse.

Kann ich noch einen?