Dass mein Vater ein recht fähiger Handwerker war, hat mich lange eingeschüchtert. Er kannte seine Grenzen und hat sich mit manchen Dingen, Elektro zum Beispiel, gar nicht erst beschäftigt. Aber was er machte, hatte Hand und Fuß. Paradebeispiel: das Schaukelgerüst mit Reckstange, dass er zusammen mit einem Freund der Familie bei uns im Garten errichtete. Dafür wurden dicke Pfähle in den Boden gerammt, und um oben den Querbalken zu befestigen, ließ mein Vater bei einer Schlosserei extra zwei passende Metallbügel anfertigen. So etwas hält dann auch ein paar Jahrzehnte.
Meine eigenen Handwerksarbeiten hielten oft nicht mal eine Nacht. Ich weiß noch, wie ich meine erste eigene Wohnung bezog und vom Vermieter verdonnert wurde, eine Wand zu tapezieren und zu streichen. Rauhfasertapete, Sie erinnern sich vielleicht. Ich fand das natürlich total blöde und klatschte die Tapeten irgendwie an die Wand, mit dem Ergebnis, dass sie sich am nächsten morgen unten, über den Fußleisten, die ich natürlich nicht abgeschraubt hatte, bereits wieder ablösten. Nach dieser Pleite ließ ich für eine ganze Weile die Finger vom Heimwerken.
Manchmal hat man den Eindruck, dass das Heimwerken für viele in Deutschland eine Art Ersatzreligion ist, mit den Baumärkten als zentralen Kultstätten. Oft ist der Besuch dort aber alles andere als sinnstiftend, sondern eher demoralisierend. Hilflos irrt man zwischen den Gängen umher, findet keinen Mitarbeiter, der einem hilft, trifft dafür aber auf lauter andere Kunden, die sich bestens auszukennen scheinen und genau wissen, was sie wollen und in welchem Gang sie es bekommen. Im schlimmsten Fall gibt man auf und schleicht unauffällig wieder zur Tür hinaus, überzeugt von der eigenen Unfähigkeit. Diesen Effekt beobachtete ich recht deutlich, als ich für eine SZ-Magazin-Reportage einmal eine ganze Woche in Deutschlands größtem Baumarkt verbrachte, der sich damals, im Jahr 2000, im Berliner Süden befand. Schon die Schraubenwand war in höchstem Maße furchteinflößend! Da ich dort neutraler Beobachter und kein Kunde war, überstand ich die Woche ohne emotionalen Schaden, der Besuch bestärkte mich aber in meiner DIY-Skepsis.
Ich sägte, bohrte und reparierte, wenn es nötig war, aber mit kaum etwas war ich wirklich zufrieden
Nun besteht das Leben ja zu einem gewissen Teil auch darin, die extremen Haltungen, mit denen man sich in jüngeren Jahren brüstete, zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren. Nach ein paar Jahren mit Bürojob, für den ich den ganzen Tag in den Computer zu starren hatte, reifte in mir die Erkenntnis, dass es eigentlich ganz schön ist, auch mal was mit den Händen herzustellen. Und sei es nur, einen hässlichen Ikea-Stuhl so anzustreichen, dass er danach ein bisschen anders aussieht – immer noch hässlich, keine Frage, aber anders. Hinzu kam die bekannte Erkenntnis, dass man nicht für jede Kleinigkeit Handwerker rufen kann: weil man ohnehin keine findet, weil sie, wenn man doch welche findet, zu teuer sind, und weil es, wenn sie wider Erwarten tatsächlich im Haus erscheinen, einfach unendlich peinlich ist, sie um etwas zu bitten, das viele Menschen ohne viel Federlesens selbst erledigen würden.
Also besorgte ich mir nach und nach einiges an Werkzeug, von der Metallsäge bis zur Brechstange, vom Gummihammer bis zum Handtacker, vom Deltaschleifer bis zum Sechskantschlüssel mit T-Griff. Ich sägte, bohrte und reparierte, wenn es nötig war, aber mit kaum etwas war ich wirklich zufrieden. Paradebeispiel: das Schaukelgerüst, das ich zusammen mit einem Freund der Familie bei uns im Garten errichtete. Es besteht aus ein paar Holzbalken, die ich online bestellt hatte. Anders als mein Vater schreckte ich jedoch davor zurück, diese in den Boden zu rammen oder gar einzubetonieren; stattdessen wurden sie mit sogenannten Bodenankern befestigt, das sind längliche Metallspiralen, die man in die Erde dreht und dann mit den Pfosten verschraubt. Die Folge: Das Schaukelgerüst ist zwar in sich stabil und kann keinesfalls umfallen, es wackelt aber, wenn die Kinder schaukeln. Irgendwie zweitklassig, dachte ich lange, vor allem im Vergleich zu dem imposanten Bauwerk, das einst bei meinen Eltern im Garten stand.
Die Wende kam mit dem Hochbeet. Damit wollte ich mir richtig Mühe geben und hatte sogar einen detaillierten Plan gezeichnet. Zuerst schien alles gut zu klappen – diverse Pfosten stützten die Seitenwände, der Boden war mit einem Drahtgitter ausgekleidet, die Wände mit Teichfolie. Selbst innen hatte ich das Beet zweimal verstrebt. Bald nachdem wir die Erde eingefüllt hatten, zeigte sich jedoch, dass das nicht reichte: Die schönen Seitenbretter aus Lärchenholz waren offensichtlich zu dünn, denn die Erde im Beet drückte sie nach außen. So stark, dass die Seitenwände gestützt werden mussten, um nicht irgendwann wegzubrechen. Also schlug ich weitere Stützpfosten ein, die seitdem krumm und schief neben dem anfangs so ansehlichen Beet stehen. Eine Weile lang ärgerte ich mich darüber, aber dann wurde mir klar, dass es wichtigeres im Leben gibt, als sich über eine krumme Bretterwand aufzuregen. Inzwischen bin ich stolz auf unser leicht windschiefes Hochbeet, irgendwie passt es gut in unseren Garten.
Dass die Welt perfekt wäre, kann wahrlich niemand behaupten. Aber für mein Gefühl wird sie immer glatter – weil glatte Oberflächen, nämlich unsere Bildschirme, eine immer größere Rolle spielen und wir immer mehr Zeit mit ihnen verbringen. Beim Heimwerken ein bisschen rumzupfuschen, kann diese glatte Oberfläche ein wenig aufrauen. Es zeigt, dass auch das Schiefe, Halbfertige und Unperfekte seinen Platz und Sinn hat. Natürlich möchte ich nicht, dass das Klettergerüst umkippt oder andere Unglücke passieren. Und wenn Handwerker kommen, ist mir fachgerechte Erledigung ebenfalls lieber als Pfusch. Aber als neulich unser Treppengeländer zu wackeln begann, nachdem es als Turngerät missbraucht worden war, besorgte ich mir eine Tube »Alleskönner Innenchampion«, laut Aufschrift eine »erstklassige und extrem leistungsstarke Premium-Leichtspachtelmasse«, und spachtelte munter drauflos. Wo ich tätig war, kann man recht gut erkennen, man muss nicht mal genau hinschauen. Aber ich freue mich schon auf das nächste Mal, die Tube ist noch lange nicht leer.