Im Namen der Kultur

Ein Bild, ein Skandal: Warum lässt eine ehrwürdige europäische Institution ihre Werbetaschen in Bangladesch von Kindern zusammennähen?

So arm, dass er für einen Hungerlohn Taschen nähen muss; so chancenlos, dass er nicht mal lesen kann, für wen er näht: das sonst so ehrbare British Council. So jung, dass ihm das Leben offenstehen müsste - aber dieses Wunder wird wohl kaum geschehen.

Mitten in Dhaka, im wie irr pulsierenden Herz der Stadt, hämmern kleine Jungs Stahlschränke zusammen, stanzen Löcher, kleben Tüten, falten Kartons, nähen Taschen, stabile Taschen, kleine Taschen, Taschen mit Rollen, mit Nebentaschen, mit Aufdrucken. In jeder Ecke hocken Kinder. Ein Junge schneidet Stoffränder gerade, Hunderte, Tausende. Die Schere hinterlässt große Dellen an kleinen Fingern. Neben ihm liegen Stöße von blauen Taschen, darauf weiß und rein: British Council.

Es ist Großbritanniens internationale Organisation für Kulturbeziehungen. British Council - ein Name wie ein Versprechen. Hier kann man Englisch lernen, die Karriere aufbauen, Cambridge, Oxford: Welcome to the world. Der Junge war nie in einer Schule, wird nie in eine gehen, er kann nicht lesen, was auf der Rückseite der Taschen steht: Education - Innovative. Individual. Inspirational. Er schneidet Ränder gerade, dafür bekommt er Essen, kein Geld - und nachts darf er sich zwischen die Taschen legen. Nicht auf sie, daneben. Der Chef sagt, der Junge ist zwölf. Alle Chefs hier sagen, ihre Jungs sind zwölf. Es scheint das Alter zu sein, auf das man sich in Old Dhaka geeinigt hat. Mit zwölf ist man wohl kein Kind mehr. Mit zwölf ist es normal, zehn, elf Stunden am Tag zu arbeiten. Der Junge schaut nicht auf, lächelt nicht.

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Zwölf? Viele in dieser stinkenden Hölle sind jünger, sie werden von ihren Eltern in die Stadt geschickt, arbeiten von acht Uhr morgens bis spät in die Nacht, »unsichtbare Kinder«, ohne Geburtsurkunde, Kinder, die es offiziell nicht gibt, 7,4 Millionen allein in Bangladesch. Solange kein Haus einstürzt, fragt keiner: Ist ja nur Krimskrams, Täschchen, die Hotels verschenken, oder das British Council. »Mit unserer Arbeit versuchen wir, Bangladesch zu einem besseren Ort für junge Menschen zu machen - also null Toleranz gegen jeden, der Kinder ausbeutet oder gefährdet«, schreibt der Pressesprecher des British Council auf Nachfragen dem SZ-Magazin. Es folgen Beteuerungen: Man werde ab sofort Stichproben durchführen, die Lieferkette überprüfen, in Verträge mit Zulieferfirmen eine Klausel einbauen, dass kein Kind beschäftigt werden darf. Klingt absurd, wenn man den Jungen sieht, die Taschen. Und in Old Dhaka schnipseln sie die nächsten Taschen, andere Namen. Besser als verhungern.

Foto: GMB Akash