Das Beste aus aller Welt

La Ola, Vuvuzela, Siegessalto: Axel Hacke verfolgt die Ursprünge fußballerischer Jubelformen bis zu ihrem Ursprung und entdeckt dabei weitere nervenkitzelnde Sportarten.

La Ola, die Stadionwelle, ist 1986 einer weltweiten Öffentlichkeit bekannt geworden und hat ihren Weg auch in deutsche Wohnzimmer gefunden, wo sich vor den Fernsehern zunächst der Vater erhebt, dann die Mutter, dann die Nachbarn, dann die gesamte Kinderschar, dann wieder der Vater – so schwappt die Welle im Kreis herum. Aber wer hätte je gedacht, dass es die Welle schon viel länger gibt, ja, dass sie aus dem Tierreich stammt?!

In England ist jetzt ein Buch erschienen, The Wavewatcher’s Companion von Gavin Pretor-Pinney, das sich mit Wellen aller Art beschäftigt. Ausführlich wird darin das Verhalten der hornissengroßen Riesenhonigbiene Apis dorsata geschildert. Deren Nest besteht aus nur einer riesigen Wabe, die von den Bienen an Ästen befestigt wird. Königin und Brut sitzen darin und werden durch eine dichte Schicht Bienen geschützt, die außen auf der Wabe sitzen. Nähert sich nun ein Bienenfeind, wird er von den Bienen im Ernstfall gestochen. Er wird aber auch abgeschreckt, indem die Tiere nacheinander ihre Flügel und Hinterleiber umklappen, sodass auf der ohnehin unheimlichen, pelzig schwarz-gelben, summenden, brummenden Bienenkugel ein unaufhörlich kreisendes Wellenmuster entsteht, ein gruseliger Eindruck: La Ola, mit der die Bienen gleichzeitig ihre Gegner besiegen und den Sieg sofort feiern.

Nun, da wir dies wissen, verstehen wir endlich, dass überhaupt viele Fußballjubelformen den Tieren abgeschaut sind! Der Stürmer, der nach dem Tor auf dem Bauch übers Gras gleitet – ähnelt er nicht der Sau, die jauchzend in die Suhle rutscht? Die Vuvuzelas, die nun in Südafrika zur Anwendung gelangen – wäre ohne den trötenden Elefanten jemand auf die Idee gekommen, so was zu entwickeln? Und ich schwöre bei der Faust von Boris Becker, dass ich kürzlich auf dem Land aus dem Fenster den Hahn auf dem Hof beobachtete, wie er, der Hühnerverteidiger, einen Fuchs in die Flucht schlug – und danach, von sich selbst begeistert, einen perfekten Klose-Salto machte!

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Die Fußball-Weltmeisterschaft soll aber nicht unseren Blick für andere menschliche Höchstleistungen trüben. In der nordenglischen Ortschaft Whittington kamen neulich wieder einmal die Freunde des ferret-legging zusammen, eines Ereignisses, bei dem Männer in sehr weiten, an den Beinen und am Bauch fest geschlossenen Hosen sich je ein – ihnen bis dahin persönlich unbekanntes – Frettchen (englisch ferret) in diese Hose stecken, wo es möglichst lange verweilen sollte. Der Weltrekord liegt bei mehr als fünf Stunden, eine unbegreiflich lange Zeit, wie jeder zugeben wird, der weiß, dass Frettchen von Kennern auch »Piranhas mit Füßen« genannt werden.

Interessanterweise ist aber das Ereignis in Whittington nicht wegen seiner Grausamkeit Menschen gegenüber in die Diskussion geraten, sondern wegen Tierquälerei: Frettchenfreunde argumentierten, es sei schrecklich für die Tiere, in der dunklen Ausweglosigkeit einer nordenglischen Männerhose eingesperrt zu sein, wo es nichts zu beißen gibt außer haarigen Beinen, von anderen nordenglischen Männerteilen jetzt mal zu schweigen. Die Anhänger des bei uns so gering geschätzten Sportes hingegen sind der Meinung, die Frettchen hätten wirklich genug Platz und im Übrigen seien sie selbst Frettchenbesitzer und am Wohlergehen der Tiere interessiert.

Ich möchte mich nicht einmischen, aber doch meiner Freude Ausdruck geben, dass den Engländern, die bei Fußball-Weltmeisterschaften oft ein ganz bedauerliches, tragisch-frühes Ausscheiden ertragen müssen und diesem scheußlichen Schicksal möglicherweise nun hoffentlich wieder in einem Achtelfinale gegen Deutschland gegenüberstehen, dass also diesen Engländern noch andere schöne und traditionsreiche Sportarten zur Verfügung stehen, um sich die Zeit zu vertreiben. Im Übrigen böte sich als Ersatz für die eventuell zu schonenden Frettchen doch jederzeit ein Schwarm Riesenhonigbienen an, um in englischen Hosen die Welle zu machen.

Illustration: Dirk Schmidt