Bei all den Diktatorenstürzen in letzter Zeit wäre mir beinahe der Fall von Teodoro Nguema Obiang Mangue entgangen, der Sohn von Teodoro Obiang Nguema Mbasogo, des Alleinherrschers von Äquatorialguinea. Mangue ist Landwirtschaftsminister im Kabinett seines Vaters, lebt aber weitgehend in London, Paris und Malibu, wo er zwei Villen, einen Golfplatz sowie folgende Autos besitzt: acht Ferrari, sieben Rolls-Royce, vier Mercedes, zwei Lamborghini, zwei Bentley sowie je einen Porsche, Aston Martin und Maserati. Außerdem gehört ihm ein Glitzerhandschuh, den Michael Jackson bisweilen getragen hat. Er ist also der reichste Landwirtschaftsminister der Welt, bis jetzt, denn amerikanische Behörden haben das Zeug im Rahmen eines Anti-Kleptokraten-Programms beschlagnahmt.
Diktatoren, lese ich in der Zeitschrift Foreign Policy, hätten einen Hang zum Hamstern. Jedes Mal, wenn einer von ihnen entthront werde, erfahre man von unglaublichsten Sammlungen in seinem Besitz: In einem Haus Saddam Husseins fand man wandweise Gemälde, die nach Beschreibung des Kunstkritikers des Londoner Guardian aus der »weltweiten Kulturgosse« stammten, so schlecht waren sie; König Faruk, letzter König Ägyptens, hatte im Palast fieberhaft Kram angehäuft, als wolle er hinter Wällen von Besitz »Einsamkeit und vielleicht Verzweiflung« fernhalten, wie ein Times-Mann schrieb; und in Muammar al-Gaddafis Hinterlassenschaft fand man ein Album mit Bildern von Condoleezza Rice, der früheren amerikanischen Außenministerin, rührend fast, aber vielleicht doch eher gruselig.
Was jedoch die Fürsten der Finsternis noch mehr eint als ihr Hang zur Anhäufung von Besitz: eine Liebe zu Literatur und Poesie – und zwar zur eigenen. Gerade ist ein Buch namens Despoten dichten erschienen. Darin wird die seltsame Affinität vieler Diktatoren zum Buch beleuchtet, seien es Gaddafi mit dem grünen oder Mao mit dem roten, seien es Hitler mit Mein Kampf oder der vor fünf Jahren verstorbene Herrscher Turkmenistans, Saparmyrat Nyyazow, mit dem Buch Ruhnama, aus dem jeder Turkmene sogar in der Führerscheinprüfung zitieren können musste.
Im Radio hörte ich ein Interview mit einem der Herausgeber, dem Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke, der auf die Frage »Warum geben sich Diktatoren so gern als Poeten?« antwortete, man müsse die Frage umdrehen zu »Warum werden aus Poeten manchmal Diktatoren?«, denn in der Regel sei ja zuerst das Buch da, dann die Diktatur. Man stelle dann fest, dass in jeder Dichtung ein Stück Größenwahn stecke und es manchem Autor in bestimmten historischen Situationen gelinge, aus Dichtung Wahrheit werden zu lassen.
Literatur sei für den Diktator Selbsterfindung, überladen, allegorisch, schwülstig, melodramatisch, grandios. Eine Diktatur sei, sagte Koschorke, ein »im Kern poetisches Unternehmen«, womit er aber nicht die Dichter unter Generalverdacht stellen, sondern nur sagen wolle, »dass die Dichtung es nicht mit so harmlosen Dingen zu tun hat, wie man gern meint, wenn man sie im Reservat des Schönen belassen möchte«.
Niemand hat das besser beschrieben als Douglas Adams in Per Anhalter durch die Galaxis, worin es unter anderem um die Dichtkunst der Vogonen geht, die drittschlechteste des Universums. Prostetnik Vogon Jeltz, auch er ein Diktatorengemüt, schnallt darin Reisende auf Poesiewürdigungsstühlen fest, um ihnen dann seine Poesie vorzutragen (»Oh zerfrettelter Grunzwanzling …«). Die zweitschlechteste Poesie ist die des Dichterfürsten Grunthos des Aufgeblasenen, bei dem sich, als er aus seinem zwölfbändigen Epos Meine Lieblingsgluckser zur Badezeit vorzutragen beginnen wollte, der Dickdarm des Poeten durch den Hals nach oben stülpte und das Gehirn erwürgte. Die schlechteste Dichtung stammte von Paula Nancy Millstone Jennings aus Essex und ging bei der Sprengung der Erde durch vogonische Kampfschiffe verloren. Wenn’s nur immer so gut ausginge.
Illustration: Dirk Schmidt