Das Beste aus aller Welt

Um eine neue Saurierart zu entdecken, muss man nicht unbedingt die Wüste Gobi umgraben. Manchmal reicht auch der Blick in den eigenen Keller! Ein Lob allen Chaoten, die Dinge verschlampen, so dass andere sie später wiederfinden können.

Beim Aufräumen zum Jahresbeginn habe ich im Wortstoffhof eine Mail von Leser S. aus Thailand gefunden, der mich Anfang Dezember auf die Internetseite des Nachrichtensenders n-tv hinwies; n-tv berichtete über die pakistanische Schauspielerin Veena Malik, sie habe mit einem Nacktfoto auf der Titelseite der indischen Ausgabe des Magazins FHM »für Empörung gesorgt«. (Was für eine seltsame Redewendung: für Empörung sorgen … Sorgt man nicht sonst für seine Familie, für sich selbst – aber für Empörung?) Jedenfalls stand dann bei n-tv, Veena Malik habe sich im erwähnten Magazin »im Adamskostüm« gezeigt.

Hat da jemand, fragt S., das weltweit erste Kostüm gefunden, eben jenes, das noch vor der Erschaffung Evas getragen wurde? Ein Stück Stoff, weit älter als das Turiner Grabtuch? Wo lag dieses Kleidungsstück herum? Warum ist es erst jetzt gefunden worden? Wieso sorgt es für Empörung, wenn Veena Malik es anzieht? Wer soll es denn sonst anziehen? Karl Lagerfeld?

Jedenfalls sieht man dieses Adamskostüm vor sich, wie es auf dem Bügel hängt und wie Veena Malik es aus dem Schrank nimmt und es über ihren Körper streift.

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Bemerkenswert ist dieser kleine Stapel von Nachrichten, die ich mir aufgehoben und jetzt wieder entdeckt habe: was alles gegen Ende vergangenen Jahres so überraschender- wie zufälligerweise irgendwo gefunden wurde.

Die Hausmeisterin der Staatlichen Bibliothek in Passau sah beim Aufräumen im Magazin ein hölzernes Kästchen, das sie schon öfter betrachtet, aber nie geöffnet hatte. Diesmal tat sie’s und sah, zu ihrer eigenen und dann zur Überraschung des Bibliotheksdirektors, einen Schatz von 172 Münzen und Medaillen, alle insgesamt ziemlich wertvoll.

Die polnische Polizei entdeckte im verfallenen Gartenhaus eines 92 Jahre alten Mannes zwischen Müll und altem Kram eine Sammlung von 300 äußerst raren Renaissance- und Barockgemälden. Kein Mensch wusste, woher die Bilder stammen. Der Besitzer des Gebäudes, der es vielleicht gewusst hätte, konnte nichts darüber mitteilen – er ist nach zwei Schlaganfällen unfähig, sich zu äußern. Ohnehin war er Maurer von Beruf und hatte nie mit Kunst zu tun.

Paläontologen haben eine neue, bisher unbekannte Art von Dinosauriern entdeckt – und zwar nicht in der Wüste Gobi oder einer weißrussischen Höhle, sondern im Keller des Londoner Naturhistorischen Museums, wo die Knochen des Tieres seit beinahe hundert Jahren unbeachtet lagen: ein Pflanzenfresser namens Spinops sternbergorum, groß wie ein Bulle. Zwei Männer namens Sternberg hatten die Reste des Dinos 1916 in der kanadischen Provinz Alberta ausgegraben.

Was lehren uns all diese Geschichten? Dass wir mal wieder aufräumen sollten? Weil man dabei die großartigsten Dinge finden könnte? Wie banal!

Der Silberschatz, die Gemälde, der Dinosaurier konnten doch nur entdeckt werden, weil jemand nicht aufgeräumt hatte! Irgendwer hat vor langer Zeit Silbermünzen in ein Kästchen getan und sie dann vergessen. Ein anderer hat Bilder in ein verstecktes Nebenhaus geräumt – niemand weiß mehr, warum. Ein weiterer hat Saurierknochen in einem Museumskeller gestapelt und nicht dran gedacht, ein Schild daraufzupappen. Ein Letzter schließlich hat Adams Kostüm in einen Schrank gehängt und diesen fest verschlossen. Und alles wurde vergessen, vergessen, vergessen … Sogar jene, die das Zeug damals vergessen haben, sind heute vergessen.

Man sollte daraus ein System machen. Regelmäßig kleine Schätze verkramen, dann nicht mehr an sie denken – nur damit jemand eines Tages eine Überraschung erlebt, vielleicht sogar man selbst.

Es gibt keine Finder ohne Verlierer. Keiner könnte Ordnung schaffen, wenn wir die Unordentlichen nicht hätten. Aber immer werden nur die gepriesen, die etwas entdeckt haben, was? In der ersten Jahreswoche soll das einmal anders sein: von hier aus ein Hoch auf alle Chaoten!

Illustration: Dirk Schmidt