Cholesterinsyntheseenzymhemmer sind, wie jeder weiß, Arzneistoffe, die der pharmakologischen Substanzklasse der 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase-(HMG-CoA-Reduktase-)Inhibitoren zugerechnet werden. Sie dienen der Senkung eines zu hohen Cholesterinspiegels im Blut.
Jedoch sind die Nebenwirkungen beachtlich: Patienten, die mehr als dreimal im Jahr von ihrem Internisten die Verschreibung eines »Cholesterinsyntheseenzymhemmers« erbaten, litten signifikant öfter als Menschen, die das Wort »Cholesterinsyntheseenzymhemmer« vermieden, unter schweren Zungenkrämpfen und allgemeinem Lippenzittern. Bei Ärzten, die in ihrer Praxis häufig die Wirkung von 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase-(HMG-CoA-Reduktase-)Inhibitoren erläutern mussten, wurden vermehrter Speichelfluss bis zu unkontrolliertem Sabbern,
ypsilonförmiger Ausschlag auf dem Zäpfchen sowie das sog. Lingualnasale Phänomen beobachtet; in diesem Fall tritt die Zungenspitze durch eines der Nasenlöcher aus. In sehr seltenen Fällen und nach grob fahrlässiger Überdosierung der Wortverbindung musste das Zungenbändchen operativ von der Schreibtischlampe getrennt werden.
Man kann deshalb seit einiger Zeit in Arztpraxen und Apotheken statt »Cholesterinsyntheseenzymhemmer« auch »Statin« sagen und wird trotzdem verstanden. Mit Statinen also mindert man bei entsprechend gefährdeten Menschen das Risiko eines Herzinfarktes.
Bruno, mein alter Freund, griff kürzlich im Wartezimmer seines Allgemeinmediziners – vor die Wahl zwischen der mit einem bläulichviolett leuchtenden Pelz von Schnupfenbazillen bedeckten Bunten, einer Ausgabe von Praline aus den Zeiten vor der Kuwait-Krise und einem Deutschen Ärzteblatt von 2010 gestellt – zum Letztgenannten und entdeckte eine Meldung, in welcher der Herzexperte Darrel Francis vom Imperial College in London zitiert wurde.
Francis schlug vor, man solle in jedem Fast-Food-Restaurant zusammen mit dem Essen auch eine Cholesterin senkende Tablette ausgeben, denn schon ein Statin würde die Auswirkungen eines Menüs, bestehend aus einem Hamburger Royal und einem Milchshake, neutralisieren. So eine Pille koste, sagte Francis, nur fünf Cent. Man könne sie also wie Ketchup oder Mayonnaise kostenlos verteilen. Sein Auftraggeber, die British Heart Foundation, schloss sich diesem Ergebnis jedoch nicht an; Fast Food sei auch mit McStatin immer noch ungesund, teilte sie mit.
Aber der Grundgedanke sei gut, sagte Bruno: Sünde ohne Reue. Dass man etwas tun und es danach ungeschehen machen könne – und zwar nur den Teil, der unangenehm sei. Man habe den Geschmack des Burgers noch auf der Zunge, doch bleibe das Blut frei von Burger-Nachteilen.
So könnte es doch gehen. Man schimpft auf eine Mailbox, drückt den Knopf des Sprachwirkungsentfaltungshemmers am Handy, genießt das reinigende Gefühl der Suada, geht innerlich frei zum Emir, muss jedoch nie das unangenehme Gefühl haben, das bisweilen mit der Rückkehr vom Emir verbunden ist.
Man fälscht eine Doktorarbeit, schluckt einen 3-Bayreuthy-3-Plagiataryl-Affänzym-A-Reduktase-(KTG-MdB-CSU-Reduktase-)Inhibitor – und wird von warmen Dissertationsempfindungen durchströmt, ohne jeden Skandalkater. Man fühlt sich promoviert, ohne es zu sein. Um den Gedanken weiterzuentwickeln: Könnte man nicht überhaupt bei allem, was man tut, gleichzeitig irgendwo dafür eine Entschuldigung deponieren? Sodass, wenn die Sache aufflöge und jemand Anstoß daran nähme, er sich direkt an eine Bundesverwaltung für das Entschuldigungswesen wenden würde, wo ein Bediensteter die entsprechende Entschuldigung nur aus dem Archiv holen müsste? Diese ganze umständliche und Zeit raubende Entschuldigungsprozedur nach Untaten aller Art entfiele, und wir gewännen (oder gewönnen?) so viel Zeit, um mehr Sport zu treiben und gesund zu leben.
Illustration: Dirk Schmidt