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Stecken die Gesundheitsämter hinter der Mehrwertsteuererhöhung auf Lieferpizza? Unser Autor joggt in Zukunft zum Italiener – aus Kostengründen.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung las ich einen kleinen Artikel, in dem mitgeteilt wurde, das Bundesfinanzministerium bereite »ein Schreiben« vor, in dem »klargestellt wird«, dass der Mehrwertsteuersatz auf Lieferpizza künftig 19 Prozent betrage, nicht mehr sieben. Das habe, so erfuhr ich, mit dem »Dienstleistungscharakter« des Lieferpizzawesens zu tun: Überall dort, wo die Dienstleistung sozusagen den sonstigen Charakter der Ware überwiege, sei der volle Mehrwertsteuersatz fällig. Gehe ich also selbst zum Pizzabäcker, zahle ich sieben Prozent, kommt der Pizzabäcker zu mir, dann sind 19 Prozent fällig.

Was mag hinter dieser Entscheidung stecken? Will das Bundesfinanzministerium (möglicherweise in enger Abstimmung mit den Gesundheitsämtern) steuerlich fördern, dass wir uns persönlich auf den Weg zur Pizzeria machen, uns also zu Fuß oder mit dem Fahrrad an der frischen Luft bewegen und vor dem Pizzaverzehr körperlich ertüchtigen? Aber was ist, wenn wir mit dem Auto zum Italiener fahren? Wäre es nicht sinnvoll, hier steuerlich einen weiteren Unterschied zu machen? In dem Sinne, dass eine zu Fuß abgeholte Pizza zwar mit Käse und Tomaten, nicht aber mit Umsatzsteuer belegt würde? Dass sie vielleicht ganz steuerfrei wäre? Darüber sollte das Bundesfinanzministerium nachdenken. Vielleicht wäre ja auch eine Mineralölsteuererhöhung auf speziell zur Pizzaholung verwendetes Benzin in Erwägung zu ziehen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf aufmerksam machen, dass eine selbst geholte Pizza zwar mit sieben, eine in der Pizzeria gegessene jedoch mit 19 Prozent zu versteuern ist. Obwohl der gleiche Weg zu ihr zurück zulegen war! Auch im Restaurant aber fällt der Dienstleistungscharakter schwerer ins Gewicht, was bedeutet: Die Tatsache, dass mir die Pizza an den Tisch gebracht wird, dass ich sie unter den Augen und von den guten Wünschen der Kellnerin begleitet verzehre und dass ich mein Geschirr nicht selbst abspülen muss, ist – steuerlich gesehen – von größerer Bedeutung als die Pizza selbst.

Der Staat hält es also einerseits für wünschenswertes menschliches Verhalten, Pizza selbst zu holen und nicht liefern zu lassen; sonst würde er dies ja nicht begünstigen. Andererseits wird behördlicherseits ein Pizzaverzehr im Lokal oder auch – nach Zustellung – daheim nicht ungern gesehen; in diesem Fall bekommt das Finanzamt zwölf Prozent mehr Steuern, es wäre mehr Geld im Haushalt, man müsste weniger Kredite aufnehmen, die Schuldenproblematik würde leichter, die Möglichkeiten zur Unterstützung Griechenlands würden größer, ein Untergang der Weltwirtschaft unwahrscheinlicher. Wer sich mit der Problematik in vertiefter Weise beschäftigen möchte, dem empfehle ich das Werk Die Lieferpizza aus gesamtstaatlicher Sicht. Eine fiskal-philosophische Abhandlung in neun Bänden von W. Schäuble, Berlin 2012. Nun zum Arbeitsplatzargument. Zweifellos ist es nicht im Sinn der Pizzaboten, dass ihre Arbeit mit steuerlichen Mitteln erschwert wird. Vielleicht ist hier der Hinweis erlaubt, dass auch sie Steuern zahlen, ja dass vom Mann mit dem Pappkarton und seinem Arbeitgeber erfolgreich Sozialbeiträge erhoben werden. Erstens wird also, pizzapolitisch gesehen, der Bürger durch einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz verführt, seine Schritte zur Abholung des Essens zu lenken, der Staat subventioniert das, er zahlt dabei drauf. Zweitens verliert dieser Staat weiteres Geld, weil ihm die Abgaben des unterbeschäftigten oder in die Arbeitslosigkeit gedrängten Boten oder Kellners fehlen. Würden wir alle – aus privathaushaltlichen Erwägungen – unsere Pizza stets selbst abholen und sie nie liefern lassen beziehungsweise nie im Lokal verzehren, kämen nicht nur die Pizzazusteller, sondern auch der Staat alsbald in größte finanzielle Schwierigkeiten. Hier liegt, wie K.-T. zu Guttenberg gesagt hätte, unsere persönliche Verantwortung als zoon politikon.

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Dies, liebe Leserinnen und Leser, soll für heute als kleiner Einblick in die schwierige, täglich neu herausfordernde Entscheidungssituation unserer Fiskalbehörden genügen. In der kommenden Woche werden meine Erwägungen der Frage gelten, warum für Möhren der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt, für Möhrensaft aber der volle.

Illustrationen: Dirk Schmidt