Zu den wirklich ärgerlichen Dingen im Leben gehört das rätselhafte Verschwinden von Socken in Waschmaschinen, Wäschetrocknern, Schmutzwäschekörben oder wo auch immer. Dies geht seit der Erfindung der Socke so. Jeder Sockenbesitzer kennt das Phänomen. Es ist auch oft genug darüber geschrieben worden. Es langweilt. Ja, ja, von jedem dritten Paar Socken verschwindet, statistischen Erhebungen der Bundessockenbehörde zufolge, die jeweils zweite Socke innerhalb der ersten vier Wochen nach Erwerb unauffindbar. Niemand weiß, wer dahintersteckt. Proteste des Verbandes der Sockenträger verhallen seit Jahrzehnten im Nichts.
Und nun kommt das neue Jahr. Wollen wir uns auch 2013 dem Rätselhaften ergeben? Sollen wir weiter stumm dulden? Ich sage: Nein. Denn die Lösung liegt auf der Hand: Socken dürfen endlich nicht mehr paarweise verkauft werden. Würden sie einzeln in den Handel kommen, könnte man eine verschwundene Socke jederzeit durch Nachkauf ersetzen. Besser aber noch: Böte man Socken stets im Dreierpack an (hätte also sofort eine Reservesocke miterworben), gäbe es das Problem gar nicht mehr. Man könnte die drei Socken ständig untereinander durchwechseln. Und wäre eine von ihnen plötzlich weg, hätte man immer noch zwei. Es ist mithin vollständig irrational, Socken paarweise in den Handel zu bringen. Es gibt keinen Grund dafür. Trotzdem geschieht es jeden Tag.
Die Privatindustrie hat sich als unfähig erwiesen, das Problem zu lösen. Sie hatte Zeit genug. Sie hat sie nicht genutzt. Schlimmer noch: Sie hat unser Vertrauen gründlich verspielt. Denn wer sagt uns, dass hinter dem Sockenverschwinden nicht die Sockenfabrikanten selbst stecken? Sie sind doch am Ende die Einzigen, die von diesem Vorgang profitieren. Niemand sonst hat ein Motiv. Verstaatlichung ist keine Lösung, die Sache würde nur so ausgehen, dass es am Ende gar keine Socken mehr gäbe oder jedenfalls viel zu wenig. Jetzt mein Vorschlag: Warum schaffen wir keinen öffentlich-rechtlichen Sockensektor? Die Rundfunkanstalten machen es uns gerade vor: Zum 1. Januar wird die Rundfunkgebühr durch den Rundfunkbeitrag ersetzt. Für jede Wohnung oder jedes Haus ist dann dieser Beitrag zu zahlen. Die Bewohner müssen dazu nicht mal mehr ein Rundfunkgerät oder einen Fernseher anschaffen, das ist künftig unnötig. Man wird endlich für das Fernsehen zahlen, ohne noch fernsehen zu müssen. Einfacher geht es nicht mehr. Der Bürger kann jene Summe, die er bisher für den Kauf eines TV-Apparates aufwenden musste (oft waren dazu ja Kleinkredite nötig), für den Rundfunkbeitrag hernehmen. Er spart bares Geld. Von der Zeit, die er gewinnt, um Zeitungen sowie Bücher zu lesen und Sport zu treiben, gar nicht zu reden.
Würde man nun, diesem Modell folgend, elf Landessockenanstalten gründen, stünden sie, wie wir ja sehen, sogleich auf einer soliden finanziellen Basis: Wer Füße hat, zahlt einen Sockenbeitrag, mit dem endlich – dem Modell von Rundfunk und Fernsehen mit ihren seriösen und spannenden Programmen folgend – eine qualitativ hochwertige und den Wünschen der Bürger entsprechende Sockengrundversorgung sichergestellt werden könnte. Niemand wäre mehr den privaten Sockenfirmen ausgeliefert; die Solo-Socke und das Socken-Trio würden unseren Bedürfnissen entsprechend gefertigt; jeder Sockenbeitragszahler bekäme eine bestimmte Anzahl davon frei Haus geliefert; verschwundene Socken würden darüber hinaus sofort durch Einzelsocken ersetzt.
Gewählte Landessockenräte, ja, wir selbst würden die Qualität der Ware überwachen. Ein Regionalsockenprogramm würde die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen in den verschiedenen Landesteilen berücksichtigen. Das neue Jahr: Zeit, die privaten Sockenhersteller mithilfe eines vitalen und schlagkräftigen öffentlich-rechtlichen Sockensektors aus ihrer Lethargie zu wecken.
Illustration: Dirk Schmidt