Wenn also jetzt Heino, habe ich gedacht, sich die Texte anderer nimmt und singt, dann müssten wir anderen doch mal die alten Texte Heinos hervorkramen und wieder betrachten. Das habe ich gemacht. Lustig war es nicht.
Es sind ja noch die besten Momente, in denen man einfach lachen kann ob all der Blödigkeit, wie über Blau blüht der Enzian, wo es nach dem blau-, blau-, blauen Enzian und den ro-, ro-, roten Lippen schließlich über das »Schweizer Madel«, das »die Alm ’naufgeht« heißt: »In der ersten Hütte, da haben wir zusammen gesessen / In der zweiten Hütte, da haben wir zusammen gegessen / In der dritten Hütte hab ich sie geküsst / Keiner weiß, was dann geschehen ist / Holla hia hia holla di holla di ho / Holla hia hia holla di holla di ho.«
Keiner weiß? Hat also sogar das küssende Paar vergessen, wie das Geschehen weiter lief? Das spricht nicht für das Geschehen, zumal es anscheinend von Holla-hia-hia-Rufen des Sängers begleitet war. Aber dann tut sich schnell wieder bloß die ganze Einfalt und Dummheit auf, das Sammelsurium von Spießigkeit und schlechten Reimen, für Heino unter anderem zusam-mengedichtet von Männern wie Adolf von Kleebsattel, Pseudonym für einen schreibenden Verwaltungsgerichtsrat aus Essen namens Neukirchner.
Also: »Am Strande von Copacabana / da machen wir durch bis mañana / und das noch mit allen Schikana«, heißt es. Auch wird da »ein Spielchen gepokert / der Colt war gelockert« – und dann geht es weiter mit Tequila und Whisky, Tampico und Oklahoma, Tramps und Vagabunden, Siouxcity-Sue und Regenbogen-Johnny, mit Steppe und Prärie, Caramba und Olé sowie Ay, Ay, Ay und Chi-bim-bam-bum sowie Chi-bim-bam-bom-bom-bom, nicht zu vergessen Ti-pi-ti-pi-ti-pi-tin und Ti-pi-ti-pi-ti-pi-tom-tom-tom.
Und natürlich, immer wieder: Die Caballeros tragen Sombreros, aber »die Señoritas / die tragen nie was«. Und: »Den Mund zum Küssen bereit / zu kurz war ihr Kleid.«
Könnte sich bitte Frau Himmelreich vom Stern auch mal dieses Falles annehmen?
Das ist nicht lustig, das war noch nie lustig, das war auch nicht empörend. Es war immer schon einfach nur deprimierend: dass dieser Mensch so populär geworden ist. »Eine traurige Sache«, wie schon vor vierzig Jahren Manfred Sack in der Zeit schrieb.
Zumal das alles ja an den gleichen Abenden und auf den gleichen Platten gesungen wurde wie die schwarz-braunen Haselnuss-Lieder von Klampfen und Kneipen, Burschen und Mädeln, der ganze Lieblings-Schwulst der Hitlerjugend und der Wehrmacht. Dann trug Heino auch vor: das Deutschland-Lied mit allen drei Strophen sowie Wenn alle untreu werden, was zwar ein älteres Volkslied ist, aber, wenn ich mich nicht irre, im Liederbuch der SS gleich nach dem Horst-Wessel-Lied kam: »Wir woll’n das Wort nicht brechen / nicht Buben werden gleich, / woll’n predigen und sprechen / vom heil’gen Deutschen Reich.«
Hier endet mein Humor.
Manche bewundern ihn jetzt. Toller Marketing-Gag, seine neue Platte! Was soll man dazu sagen, außer: Heino hat sein ganzes Leben als Marketing-Gag verbracht, herzlichen Glückwunsch, er kann ja nichts anderes.
Andere sagen: Es sei doch großartig, wie er das Schlagerhafte in Texten von Rammstein und den Fantastischen Vier entlarve! Da sage ich: Die Songs kann ja jeder finden, wie er will, da braucht es keinen zur Demaskierung, schon gar nicht Heino, der selbst ’ne Maske ist. In Wahrheit ist es doch ganz anders und genau umgekehrt: Singt Heino das Lied Junge von den Ärzten, treibt er dem allein dadurch, dass er es eben singt, jeden Witz und Geist und jede Ironie aus.
Aus allem macht er Heinokram. Er hat auch Brahms gesungen, Mozart und das Lied an die Freude, und es ist bloß Geknatter und Gesülze draus geworden, dieses immergleich Verlogene. In die Heinomaschine kann man alles hineinwerfen, auch das Beste: Es kommt immer nur Heino wieder raus.
Illustration: Dirk Schmidt