Man darf es nicht vergessen: Als Manuel Andrack am 30. August 2000 auf der Bühne der Harald Schmidt Show auftauchte, trat er die direkte Nachfolge von »Horst« an, jenem unsichtbaren Co-Moderator, der auf einem der Interviewsessel neben Schmidt platziert war. Andrack nahm in der Sendung zunächst eine ganz ähnliche Rolle ein: Auch seine Anwesenheit reduzierte sich darauf, bloße Adresse der Pointen Schmidts zu sein; er war gewissermaßen ein Fleisch gewordener Horst, dessen Identität so unerheblich blieb wie die des fiktiven Vorgängers. Andracks Funktion im Konzept der Show rechtfertigte sich nicht durch besondere Talente, sondern allein durch den fundamentalen Unterschied zwischen den beiden Figuren auf der Bühne: in der Mitte der eloquente, perfekt zurechtgemachte Fernsehstar; am Rand der langjährige Redaktionsleiter in Jeansjacke, der das Hinter-den-Kulissen-Artige seiner Erscheinung auch weiterhin nicht verleugnen wollte. Und unabhängig davon, wie sympathisch oder ärgerlich man Andracks Art finden mochte: Die Würde seiner Auftritte bestand in den ersten Monaten darin, die undankbare Rolle der passiven Ansprechstation konsequent durchzuhalten. Dann aber – irgendwann im Jahr 2001 oder 2002, angesichts des unerwarteten Erfolges von Andrack – begann ein folgenreiches Missverständnis. Man müsste sich noch einmal sämtliche Harald Schmidt Shows dieser Zeit ansehen, um ihn abzupassen: jenen Moment, in dem Manuel Andrack plötzlich zum ersten Mal das Gefühl hatte, selbst komisch zu sein. Es war der Augenblick, in dem er die Disziplin verlor, die intelligente Zurückhaltung seiner Position aufgab und das Blut der Popularität leckte. Es war der Augenblick, in dem er der Verheißung aufsaß, seine eigene Lebensgeschichte, sein eng gezogener Horizont aus Biertrinken, Wandern und Fußball würde die Menschen tatsächlich beschäftigen. Heute schreibt er autobiografische Bücher über seine Liebe zur Eifel oder den 1. FC Köln und gibt Statements zur Lage der Dinge ab, doch gleichzeitig wird der allgemeine Überdruss an seiner Person unüberhörbar. Der Grund dafür hängt mit einem fatalen Fehler Manuel Andracks zusammen: Er hat übersehen, dass das öffentliche Interesse an seiner geerdeten Existenz nur in Relation zu Schmidt funktionierte, als Antithese zu dessen Eleganz und Ungreifbarkeit. In dem Maße, in dem er sich eigenständig zu etablieren versucht, erweist sich seine Durchschnittlichkeit schlichtweg als das, was sie ist.Manuel Andrack hat als Fernsehfigur vermutlich nur für jenen ganz kurzen Zeitraum funktioniert, in dem er tatsächlich noch keine war. Fünf Jahre später hat ihn seine schiere Präsenz auf dem Bildschirm zu einem Prominenten gemacht, und wenn er in Zeitungsinterviews immer noch betont, dass er kein Medienstar sei, dass es zwischen dem Privat- und dem Bühnen-menschen Andrack absolut keinen Unterschied gebe, zeugt das von einem erstaunlichen Mangel an Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten des Fernsehens: Die zur Schau gestellte Normalität Andracks ist nach jahrelanger Inszenierung vor der Kamera längst nicht mehr das »echte Leben« des Kumpels von nebenan, sondern zunehmend zweifelhafte Pose. In seiner aktuellen Rolle gerät Manuel Andrack damit in eine fragwürdige Tradition. Als jemand, der ohne spezifische Be-gabung zu Fernsehprominenz gelangt ist, fügt er sich mit seinen rasch auf den Markt geworfenen Nebenerzeugnissen in die Reihe jener Zlatkos und Jürgens ein, die auf dem Höhepunkt ihres fragilen Ruhms noch schnell eine CD besungen haben. Andrack musste zwar keine Big-Brother-Container durchlaufen, um bekannt zu werden, doch auch seine Popularität beruht darauf, von einer einflussreichen Instanz – Harald Schmidt statt EndeMol – vor die Kamera gesetzt worden zu sein. Am 30. August jährt sich Andracks unverhoffte Fernsehkarriere zum fünften Mal. Er sollte dieses Jubiläum zum Anlass nehmen und wieder seinen Platz hinter der Bühne einnehmen, bevor es endgültig zu spät ist und er sich in ein paar Jahren mit Elton, Jenny Elvers-Elbertzhagen und den anderen verzweifelten Prominenten ohne Grund in der nächsten ProSieben-Show wiederfindet.