Überlebende einer Hungersnot unter französischen Auswanderern in Kanada schickten einige der unbekannten Knollen, die ihnen das Leben gerettet hatten, nach Paris, Hauptstadt der Küche. Und in den Vatikan, Zentrale für Wunder. Die Franzosen benannten die Indianerkartoffel nach einem Indianerstamm, der zufällig gerade zu Besuch war: topinambour. Päpstliche Gärtner einigten sich auf girasole articiocco, »Sonnenblumen-Artischocke«, was ein viel besserer Name ist, denn die Pflanze gehört zu den Sonnenblumen und schmeckt wie eine Artischocke. Engländer konnten girasole nicht aussprechen und versuchten es mit Jerusalem artichoke. Eine Weile hießen die Knollen »Diabetikerkartoffel«, das können Sie sofort wieder vergessen, führt uns aber zu einem ihrer wichtigen Inhaltsstoffe: Inulin sättigt, ohne den Insulinspiegel zu beeinflussen. Das langkettige Speicherkohlenhydrat wird erst im Enddarm teilweise zu kurzkettigen Fettsäuren fermentiert. Diese fördern die lokale Bifiduspopulation, also eine gesunde Darmflora – Inulin ist ein prebiotischer Ballaststoff, der wahrscheinlich hilft, Darmkrebs vorzubeugen. Einziger Nachteil: Bei der Fermentation entstehen Gase. Inulin kommt auch in Chicoree, Spargel, Zwiebeln und anderen Gemüsen vor – meiner Meinung nach gibt es keinen Grund, einer ausgewogenen Ernährung Topinambur-Schlankheitspillen und -pülverchen zuzufügen. Gleiches gilt für Vitaminpräparate.
Wenn Sie eine Knolle in die Erde stecken, sind Sie bis an Ihr Lebensende mit Jerusalem-Artischocken versorgt, die Pflanze blüht schön wie eine kleine Sonnenblume und wuchert wie verrückt. Im Herbst müssen Sie alle Triebe ausreißen und die Knollen ausgraben. Die Reste, die Sie dabei übersehen, reichen völlig aus, um die nächste Ernte zu sichern. In der Küche verhält sich die Knolle fast wie eine Kartoffel, Jerusalem-Artischocken schmecken gekocht als Suppe, gebraten als Puffer oder im Herbstfeuer gebacken. Die Schale der Knollen ist so dünn, dass Sie zumindest fingerlange zarte Knollen nicht zu schälen brauchen, es genügt, sie zu schrubben. Leider trocknen die Knollen durch diese dünne Schale aus – bitte kühl und kurz lagern. Anders als Kartoffeln schmecken Jerusalem-Artischocken auch roh, fein geschnitten im Feldsalat, mit ein paar Tropfen Nussöl. Eine gute Beschäftigung für Ihren Trüffelhobel, wenn gerade mal keine Tartufi zur Hand sind. FRITTO MISTO
Vorspeise für vier Personen: Je 100 g Peperoni und Staudensellerie in Scheiben schneiden, in einer Schüssel stark salzen, nach 6–8 Stunden auf einem Sieb abtropfen lassen, in einem Glas mit Rapsöl begießen (hält ungekühlt 4 Wochen). 1 Bund Salbeiblätter zupfen, 150 g Jerusalem-Artischocken in 1 mm dicke Scheiben schneiden. 250 g festes Fischfilet (z. B. Steinbeißer) 1 cm dick schneiden mit 1 EL Öl und 1 EL Soja mischen. 1 l Öl in einem breiten Topf erhitzen, nach und nach zuerst den Salbei, dann die Jerusalem-Artischocken knusprig frittieren, mit einem Sieblöffel herausnehmen, abtropfen. Den Fisch in ca. 5 Minuten goldbraun und knusprig ausbacken, abtropfen. Alles salzen und mit Peperoni und Zitronenschnitzen servieren.