Die Drehtür hat ihren Schwung verloren. Dabei war sie doch mal der Inbegriff von Fortschritt und Beschleunigung. Eine der ersten Kamerafahrten der Filmgeschichte? Gipfelte 1924 in Der letzte Mann im Drehtür-Close-up. Ein Statist nach dem anderen sortierte sich zwischen die Glastüren. Zack, zack, zack. Die Menschenmassen der modernen Stadt: Nur mit der Drehtür in Bewegung zu halten. Die Atemlosigkeit der modernen Stadt: Bestens mit der Drehtür zu illustrieren. Charlie Chaplin nutzt sie 1917 in Die Heilquelle für einen zweiminütigen Scherz, in dem ein Rollstuhlfahrer zu Schaden kommt, ein halbnackter Masseur aufgeschreckt wird, zwei Menschen in Wasserbecken stürzen und Chaplin sich 14-mal um die eigene Achse dreht. Einfach nur, weil die Türso unaufhaltsam flott war.
Und heute? Bleibt. Die. Verdammte. Tür. Ständig. Stehen. Ein wenig chaplinartiger Slapstick ist noch zu erleben, wenn entnervte Menschen immer wieder gegen die stockende Tür hauen. Tür beginnt sich zu drehen, Mensch will mitschieben. Tür bleibt stehen. Mensch wartet. Tür beginnt sich zu drehen, Mensch ist erleichtert, will mitschieben. Tür bleibt stehen. Es kann einige Zeit vergehen, bis Drehtüropfer das »Bitte nicht berühren, Tür dreht automatisch«-Schild entdecken. Und irgendwann ist dieser Stottergang dann nicht mehr witzig, sondern etwas würdelos. Die vollautomatische Drehtür macht uns zu passiven Schleichern. Warum? Weil sie die gefährlichste Tür der Welt ist und ihre Benutzer vor sich schützen muss. Hier ist nicht der Ort für eine Panoramaschau der spektakulärsten Quetschungen, aber feststeht, dass auch trödelnde Kinder, Omis mit Rollator und Hundebesitzer manchmal Flughäfen, Einkaufszentren oder Bürotürme betreten. Unangenehm für die Drehtür, denn dann darf sie nicht mehr beweisen, wie rasant sie ist. Damit sie nicht in Versuchung kommt, doch ein wenig zu beschleunigen, ist sie seit 2005 mit einer automatischen Sicherheitsbremse ausgestattet. DIN-Norm 18650. Seitdem stellt sie uns nicht nur vor die Pass-ich-da-noch-mit-rein-Frage, sondern sie lässt uns auch sehr viel Zeit herauszufinden, dass ein Koffer und zwei Menschen eben nicht in das gleiche Drehsegment passen.
Vielleicht ist langsam ein guter Moment, die Drehtür abzuschaffen. Sogar der Surfer / Schauspieler Matthew McConaughey gibt zu, Angst vor Drehtüren zu haben. Seit der Amerikaner Theophilus Van Kannel die »Karusselltür« 1888 zum Patent angemeldet hat, könnte sich ja irgendjemand eine Alternative überlegt haben. Doch das ist die Naivität des Nutzers: »Ob die Drehtür noch modern ist? Sind Wände etwa unmodern?« – Der Architekt Sergei Tchoban hat Großprojekte von Moskau bis Berlin betreut und ist ästhetisch klar auf Seiten der Drehtür. »Sie ragt immer halb aus dem Gebäude heraus. Das führt zu einer sehr schönen Reliefbildung, die Glashaut der Fassade kommt in Bewegung, das wirkt körperhaft.« Dass die Drehtür dann ab und an Körper in Haft nimmt, ist ein leidiger Nebeneffekt. Was die Drehtür bis heute unersetzlich macht, ist der Umstand, dass sie die einzige Tür ist, die nie richtig zu oder offen ist. Wow, eine Hybrid-Tür. Die Drehtür hat also doch Fans: Pförtner und Heizkostenzahler.
Illustrationen: Philippe Petit-Roulet