Ins Netz gegangen

Im Darknet fühlen sich Kriminelle sicher. Eine Einheit des BKA will das ändern.

Die Arroganz, sagt Mirko Manske, nehme er oft persönlich. »Blaues Opfer«, »Uwe«, er kennt Dutzende Begriffe, mit denen er und seine Kollegen in verschlüsselten Chatforen verspottet werden. Nirgends fühlen sich Kriminelle so unverwundbar wie im Darknet, dem Untergrund des Internets. »Dieser Moment, wenn der Mensch hinter dem Nickname dann vor dir in der Vernehmung sitzt«, sagt Manske, »der treibt viele von uns an.«

Kriminalhauptkommissar Mirko Manske, 45, ist Sachgebietsleiter für Internetkriminalität beim Bundeskriminalamt (BKA). Seine Kollegen und er heißen intern »Cybercops«. Manske mag das Wort. »Mehr Silicon Valley als bei uns gibt es bei der Polizei nicht.« Die Abteilung für Internetkriminalität ist im Hauptsitz des BKA untergebracht, einer gut bewachten ehemaligen Kaserne in Wiesbaden. An der Wand hängt ein Eintracht-Frankfurt-Kalender, die Polizisten sitzen im T-Shirt in ihren Büros. Viele sind um die dreißig, fast alle haben zwei Computermäuse und vier Bildschirme vor sich. Unter Decknamen observieren sie Foren im Darknet, in denen angeboten wird, was nicht legal zu kaufen ist: Waffen, Falschgeld, Auftragsmorde. Ein paar Türen weiter sitzen die Kollegen, die Anfang Juli die Kinderpornografie-Plattform »Elysium« abschalteten.

Wenn Manske mit dem Staatsanwalt erstmals einen neuen Fall bespricht, sagt er zwei Worte ziemlich häufig: Keine Ahnung. Wer ist der Verdächtige? Keine Ahnung. Wo hat er die Straftat begangen? Keine Ahnung. Wer sind die Opfer? Keine Ahnung. Die Polizeiarbeit im Darknet beginnt oft mit nichts als einem Nickname und einem Verdacht. Wie eine Mathe-Aufgabe mit drei Unbekannten. Deshalb sind für Manskes Abteilung Staatsanwälte zuständig, die Spezialisten für Internetkriminalität sind. Justiz ist in Deutschland Ländersache, ein Staatsanwalt ist nur für Fälle zuständig, die in seinem Gebiet passiert sind. Aber das Netz kennt keine Ländergrenzen.

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Keine Technik in der Geschichte der Menschheit hat sich so schnell entwickelt wie der Computer. Will die Polizei mit dem Verbrechen Schritt halten, muss sie ständig improvisieren. Gerade testen sie eine Software, die russischen Programmcode ins Deutsche übersetzt. Solche Software hilft den Ermittlern, die riesigen Datenmengen von beschlagnahmten Servern auszulesen. Für jeden Fall müssen die Beamten eine eigene Software programmieren, sie bräuchten sonst Jahre, um aus den Datenmassen Beweise zu gewinnen. Die Masse an Daten sei aber auch ein Vorteil, sagt Manske. »Im Netz wird alles irgendwie dokumentiert.« Und jedes Kilobit könne einen Beweis darstellen.

Manskes Team ermittelt auch gegen Hacker, die massenhaft Kreditkartendaten stehlen, Server lahmlegen oder Erpressungstrojaner in Umlauf bringen. Nachdem im November 2016 die Router von mehr als einer Million Telekom-Kunden gehackt worden waren, arbeitete die Abteilung einige Wochen durch. Manske hatte früh einen Verdacht. Drei Monate später wurde der Verdächtige am Flughafen in London verhaftet, ein 29-jähriger Brite. Welcher Fehler ihn verriet, sagt Manske nicht, nur so viel: »Es ist unmöglich, sein reales Leben auf Dauer komplett vom Leben im Darknet zu trennen.«