Handymasten sind ein klassisches Beispiel für das, was Amerikaner als Nimby-Problem bezeichnen. Nimby steht für »Not in my backyard« und bedeutet grob übersetzt: Tolle Sache, aber bitte nicht in meiner Nähe. Beispiel: Ohne Handy leben will kaum jemand, die klobigen Masten aber sollen gern überall stehen, bloß nicht in der eigenen Umgebung. Denn kaum etwas verschandelt die Landschaft ja so sehr wie eine Sendeanlage.
Der Münchner Fotograf Robert Voit geht seit Jahren der Frage nach, wie Menschen solche Masten zu tarnen versuchen. Zunächst waren ihm auf Reisen durch die USA Masten aufgefallen, die aussahen wie Bäume und Palmen – nur eben mit Stämmen aus Fiberglas und Blätterkrone aus Plastik. Auch Kirchenkreuze waren damals populär, die dadurch, dass sie im Längsbalken eine Mobilfunk-Relaisstation verbergen, ziemlich überdimensioniert wirken. In Europa sind auch Schornstein-Attrappen aus Plastik beliebt, die nur die Funktion haben, Sendemasten zu verstecken. Das Ziel all dieser Konstruktionen: Sie sollen sich möglichst unauffällig in ihre Umgebung einfügen. Voit hat unzählige dieser Masten fotografiert, Bücher dazu veröffentlicht – zuletzt New Trees, 2014 – und seine Bilder in aller Welt ausgestellt. Eigentlich dachte er, dieses Thema damit umfassend abgehandelt zu haben.
Doch dann kam Donald Trump. Und mit ihm eine neue Welle des amerikanischen Patriotismus, der sich auch in einer neuen Art von Verkleidung der Masten niederschlug: der Flaggenstangen-Mimikry. Voit stellte das fest, als er kürzlich fünf Wochen lang durch die US-Bundesstaaten Kalifornien, Nevada und Arizona reiste. Geschlafen hat er im Wohnmobil, die Kamera stets griffbereit. Unzählige solcher Masten sah Voit, die meisten in kleineren Städten. Die Leistung der derart getarnten Sendestationen ist nicht so hoch wie im Fall der Modelle Palme oder Baum, da in den dünnen Masten nur zwei Sende-paneele verbaut werden können – in einer üppigen Palme sind es bis zu acht. Also müssen mehr solcher Masten aufgestellt werden. Aber das ist kein großes Problem: Flaggenmasten sind momentan derart beliebt, dass sich Menschen freiwillig melden, um so einen in den eigenen Garten stellen zu lassen.
Voit hat dieser Fotoserie den Arbeitstitel Trump Towers gegeben. Denn ein solcher Flaggenmast passt sehr gut zum Twitter-Präsidenten Trump, der mit Hitzkopf und Handy die Weltpolitik vor sich herhetzt. So wird jeder Sendemast ein beflaggter Verstärker der Trump’schen Botschaften, da ja ohne die Masten weder Handys noch mobiles Internet funktionieren würden. Und wenn man bedenkt, dass dieser Mann noch mindestens zweieinhalb Jahre lang Präsident bleiben könnte, muss man wohl sagen: Das Ende der Fahnenstange ist längst noch nicht erreicht.
Till Krause