SZ-Magazin: Monsieur Vuitton, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie auf der Straße eine Louis-Vuitton-Kopie sehen?
Patrick-Louis Vuitton: Manchmal halte ich die Leute an und frage sie, ob sie auch falsche Haare tragen. Diesen Sommer war ich in einer Bäckerei, um Brot zu kaufen. Als ich zahlen wollte, sah ich, dass die Bäckerin eine gefälschte Vuitton-Handtasche hinter dem Tresen hatte. Ich habe ihr das Brot zurückgegeben und gesagt: Nein danke, Ihr Brot ist womöglich auch gefälscht.
Ist so eine Kopie nicht auch ein Kompliment an die Strahlkraft Ihrer Marke?
Nein, für mich ist es ein Krieg, ein erbarmungsloser Krieg. Wer eine Fälschung kauft, ist einfach nur gedankenlos. Er unterstützt damit die organisierte Kriminalität und Kinderarbeit. Deshalb arbeiten bei uns hundert Leute im Haus jeden Tag daran, Ermittlungen zu führen, Vertriebskanäle zu identifizieren, Produktionsstandorte ausfindig zu machen und diese vor Ort aufzulösen.
Sie hingegen sind seit mehr als vierzig Jahren zuständig für Spezialanfertigungen. Welche Sonderbestellungen sind gerade in Ihren Werkstätten in Arbeit?
Derzeit arbeiten wir an einem Gepäck-Set für einen berühmten Koch, der überall in der Welt herumreist, um neue Gewürze zu entdecken. Er möchte eine kleine Box, in der er die Gewürze vor Ort sammeln und mischen kann. Dann haben wir ein interessantes Projekt für einen bekannten Musiker, der Dirigentenstäbe sammelt. Es wird meine Aufgabe sein, die Dirigentenstäbe von Meistern wie Beethoven, Wagner, Mahler und Karajan reisen zu lassen.
Die Namen Ihrer aktuellen Auftraggeber wollen Sie nicht nennen?
Nein, unsere Kunden zählen auf unsere Diskretion.
Wie viele Sonderbestellungen erhalten Sie im Jahr?
Etwa 300. Es reicht von der Brieftasche bis zum Überseekoffer.
Für den Modedesigner Marc Jacobs haben Sie eine Transportbox für seine Hunde entworfen.
Ja, und für den spanischen Koch Ferran Adrià eine auf ihn zugeschnittene Gepäckkollektion. Für Annie Leibovitz ein Set für ihre Fotoausrüstung. Alles Projekte, die wir anlässlich des 150. Firmenjubiläums von Louis Vuitton realisiert haben. Die Stücke wurden später zu Gunsten des Roten Kreuzes versteigert.
Was war der ausgefallenste Sonderwunsch, den Sie erfüllt haben?
Damien Hirst wollte einen Schrankkoffer für medizinisches Spezialbesteck.
Wofür braucht man auf Reisen ein Skalpell?
Er ist Künstler, nicht Chirurg. Und wenn man diese chirurgischen Instrumente sieht, hat man auch keine Lust, sie zu benutzen!
Sie haben keine Fragen gestellt?
Natürlich haben wir über seine Idee gesprochen. Aber ich habe ihn nicht gefragt, was er damit vorhat.
Machen Sie das nie bei Ihren Kunden?
Nein, nie.
Egal, wie bizarr der Auftrag ist?
Ich habe schon Koffer für erotische Gegenstände kreiert, aber was die Kunden damit machen, interessiert mich nicht. Wenn ich einen Koffer für Whiskeyflaschen und Gläser anfertige, weiß ich auch nicht, ob der Kunde Genießer oder Trinker ist.
Gibt es Grenzen, die Sie nicht überschreiten würden?
Es gibt Grenzen technischer Art. Unsere Produkte sind Reisegegenstände, die benutzbar und transportfähig sein müssen.
Wie sehen die technischen Grenzen aus?
Ein voller Überseekoffer sollte nicht mehr als achtzig bis hundert Kilo wiegen. Es ist schon vorgekommen, dass eine Kundin ihr gesamtes Service inklusive Besteck, Servierplatten und Kristallgläsern in einem einzigen Koffer transportieren lassen wollte. Das wäre viel zu schwer geworden. Ich habe sie überzeugen können, drei Koffer anfertigen zu lassen statt nur einen.
Ist diese Art des Reisens überhaupt noch zeitgemäß?
Wir haben mit Pferdewagen angefangen und sind bei Überschallflugzeugen angekommen. Unser Reisegepäck hat sich immer den Transportmitteln der Zeit angepasst. Zur Zeit der Concorde hatten wir spezielle Reisekoffer im Sortiment, die perfekt auf die kurzen Flüge nach New York zugeschnitten waren – morgens hin, abends zurück. Heute muss das Reisegepäck wieder größer sein, denn wenn Sie einen Tag in New York verbringen möchten, müssen Sie mindestens eine Nacht bleiben. Die Ära des Jetset ist vorbei.
Macht Sie das traurig?
Ach, das Reisen verändert sich ständig. Ich erinnere mich an die Generation meines Vaters, der noch mit dem Passagierschiff fuhr, wenn er beruflich in die USA musste. Die Überfahrt dauerte fünf Tage. In dieser Zeit gab es mehrere Partys, darunter das »Captains Dinner«, bei dem Abendkleid und Smoking Pflicht waren. Diese Events gibt es heute nicht mehr. Mittlerweile gibt es ja auch alles in Hotels. Vor vierzig Jahren musste man sein eigenes Badetuch mitnehmen.
Haben Sie manchmal Angst um Ihr Geschäftsmodell?
Nein, Menschen, die stilvoll reisen wollen, wird es immer geben. Und natürlich spielen für uns auch Geschäftsreisende eine immer größere Rolle. Unter den Kunden, die Sonderanfertigungen bestellen, gibt es Leute, die 200 bis 300 Tage im Jahr unterwegs sind.
Was macht einen guten Reisekoffer aus?
Reisegepäck muss in erster Linie robust sein, leicht und elegant. Das Ziel ist, dass die persönlichen Gegenstände in perfektem Zustand am anderen Ende der Welt ankommen. Einmal ausgepackt, sollten Kleider sofort angezogen werden können, ohne dass man den Wäschereiservice des Hotels bemühen muss.
Haben Sie Empfehlungen, wie man seinen Koffer am besten packen sollte?
Das ist eine sehr persönliche Sache. Ich zum Beispiel besitze Gepäckstücke für jede Art von Reise und ich mache mir eine Checkliste. Wenn ich eine Woche auf meinem Boot verbringe, nehme ich vorwiegend Taschen mit. Die kann ich zusammenrollen, wenn sie leer sind, das ist praktischer. Wenn ich für eine Woche beruflich im Ausland bin, reise ich stets mit Koffer, den ich auch einchecken lasse. Auf Reisen kauft man immer Mitbringsel und Geschenke, deshalb sollte man genügend Platz dafür vorsehen. Der Koffer ist immer voller, wenn man zurückkommt.