Was suchen die Menschen, wenn sie am Wochenende ins Grüne aufbrechen? Unberührte Wildnis? Einsame Berggipfel? Abenteuer? Der Marburger Natursoziologe Rainer Brämer geht diesen Fragen seit Jahrzehnten nach – und kommt zu ebenso überraschenden wie ernüchternden Erkenntnissen. »Unberührte Wildnis bedeutet Gestrüpp, dichte Wälder, viel Unterholz, keine Wege. Das mögen viele Menschen überhaupt nicht«, erkärt Brämer. »Wir fühlen uns wohl, wenn die Landschaft überschaubar ist und viele Aussichten bietet.« Das bedeute aber nicht, dass alle Wanderer die Gipfel stürmen wollten. Almhöhen und Mittelgebirge seien bei den meisten viel beliebter. Auch Wasser sei ein wichtiges Element für eine Landschaft, die Menschen als schön empfinden.
Studien hätten gezeigt, dass diese Vorlieben tief in unserem Inneren verankert seien, »wir haben offensichtlich ein Bauchempfinden dafür«. Schon unsere Vorfahren hätten weite Landschaften bevorzugt, weil sie dann schnell erkennen konnten, »wo es grün ist und blüht - wo es also Nahrung gibt«. Wasser sei ohnehin überlebenswichtig gewesen, wenn sich die Jäger und Sammler zu neuen Revieren aufmachten.
Moderne Menschen hätten also ihr Landschaftsempfinden von den Vorfahren geerbt, was laut Brämer dazu führt, dass sie sich von künstlich angelegte Parklandschaften oder auch Golfplatzanlagen besonders angetan zeigten - das hätten verschiedene Studien erwiesen, »sehr zum Schrecken aller Ökologen«.
Er sagt: Gerade der Umweltschutz habe dazu beigetragen, dass sich die Menschen heute noch mehr von der Natur entfremdet hätten. Wie das sein kann, und welche Rolle übervorsichtige Eltern und soziale Medien dabei spielen, lesen Sie im langen Interview zum Thema Wandern in der aktuellen Ausgabe des SZ-Magazins.
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