Bali

Beim ersten Mal nervten Mücken, Masseusen und Australier. Beim zweiten Mal schloss unser Autor Frieden. Mit den Australiern – und vor allem mit sich selbst.

Die Mücken sind weg. Selbst in Kuta habe ich dieses Mal keinen einzigen Stich bekommen. Vielleicht liegt es an der unterschiedlichen Jahreszeit. Aber auch die Masseusen scheinen weniger aufdringlich zu sein. Damals konnte ich keinen Schritt aus der kleinen Hütte des Hotels Three Brothers am Rande von Kuta treten, ohne dass fünf Masseusen gleichzeitig ihre Dienste anboten. Jetzt warten sie in dem riesigen Garten mit dem Affenkäfig, vor dem ich die ersten Nächte mit meiner Tochter saß. Auf der Flucht vor den Mücken. Nur die Australier belagern Kuta so lärmend und gut gelaunt wie ehedem.

Wenn Paare in Urlaub fahren, bringen die Partner nicht selten völlig verschiedenartige Erinnerungen mit nach Hause. Uns geht das mit unserem Bali-Urlaub so. Alle Frauen lieben Bali. Wegen der sanften hinduistischen Kultur, für die tanzende, grazile Männer eine Selbstverständlichkeit sind. Wegen der bizarren Gamelanmusik, die am frühen Abend in jedem Dorf zu hören ist, wegen der bunten Sarongs, wegen der fruchtbaren, sattgrünen Hügellandschaft, wegen des Meeres. Vor neun Jahren wollte Karen mir und den Kindern ihre Lieblingsinsel nahe bringen. Sie erinnert sich noch heute gern an freundliche Menschen, das tolle Sozialsystem, in dem Männer sich oft einen Job teilen und die Familie alles bedeutet, die Kecak-Tänze, die ich zugegebenermaßen nur widerwillig besuchte, die bezaubernden Blumenschälchen überall, mit denen die Balinesen ihre hinduistischen Götter gütig stimmen wollen – »Weißt du noch, wie die Frauen jeden Morgen sogar für den Gott des Fernsehers, den Gott der Registrierkasse und den Swimmingpool-Gott Blumenschälchen aufstellten?« Nein, ich erinnere mich zuerst immer an die Mücken, Masseusen und Australier. Ich erinnere mich ferner, dass unsere Tochter im Affenwald von einem heiligen Makaken gebissen wurde, mir der Laptop nach einer durcharbeiteten Nacht durchbrannte und meine Frau von einem dieser sanften Balinesen gleich am ersten Tag beim Geldwechsel übers Ohr gehauen wurde. Sie: »Diese unglaublich hoch entwickelte Kultur – Bali hat die Zwölftonmusik schon tausend Jahre vor uns erfunden.« Ich: »Die besoffenen Australier kommen nicht wegen der Kultur. Den Ramayan hat ohnehin kein Mensch gelesen.« Sie: »Ich schon. Und, mein Gott, all die tollen Sachen, die man damals so spottbillig kaufen konnte.« Ich: »Und die ich dann quer über die Insel schleppen musste.« Sie: »Ach, die zwei, drei Sarongs. Du warst einfach unglaublich borniert damals.«

Seit ein australischer Surfer die Insel 1973 für den Tourismus entdeckte, erschienen Zeitungsberichte über Bali auf der ganzen Welt meist unter dem Titel »Das Paradies auf Erden«. Mitte der siebziger Jahre folgten den Surfern die Hippies, Anfang der Achtziger kamen die Rolling Stones, in den Neunzigern mit den Australiern der Massentourismus und schließlich wir. Vielleicht wollte ich damals wirklich nur den Beweis antreten, dass man auch im Paradies schlechte Laune haben könnte. Als meine Frau jedenfalls hörte, dass ich eine Presseeinladung für ein Wochenende auf Bali bekommen hatte, meinte sie, die mir schon in allen möglichen Dingen eine zweite Chance gegeben hatte: »Bei Bali hast du keine zweite Chance verdient.«

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»Das geschändete Paradies« titeln Reisemagazine nun seit vier Jahren. Am balinesischen Ground Zero in Kuta steht eine große Gedenktafel an dem Ort, wo im Jahr 2002 die Diskothek in Flammen aufging. Das Denkmal trägt die Namen der Toten, hinduistische Verzierungen am Rand, natürlich stehen auch Blumenschälchen davor. Mit dem dramatisch inszenierten Ground Zero in New York hat das dezente Denkmal auf Bali wenig gemein.

Mein Taxi hält schließlich vor dem Four Seasons at Sayan, nahe Ubud, dem kulturellen Zentrum Balis, der Ort, an dem meine Frau uns zu den Kecak-Tänzen schleppte. An der Schranke vor dem Hotel entschuldigt sich ein Polizist, dass er den Wagen durchsuchen müsse. Mit Spürhund und einem schnellen Blick unter die Motorhaube und ins Gepäck. Über der Schulter trägt er sein Maschinengewehr, die Hände faltet er zum Abschied vor dem Gesicht. Den Polizisten auf Bali ist berufliches Misstrauen spürbar peinlich.

Die Etagen des Hotelgebäudes in Sayan schmiegen sich in die Terrassen des Dschungelbergs. Außenrum die Suiten in einzelnen Pavillons. Meine ist etwa so groß wie unser kleines Reihenhaus zu Hause. Viel zu groß und auch zu schön für mich allein. Auf der Terrasse der Suite ein Pool, mit Blick in die grünen Bananenbäume.

Amelia aus dem PR-Büro des Hauses erzählt von dem Einbruch im Tourismus seit 2002, auf 25 Prozent der Vorjahre. Nur die wackeren Australier, die damals die meisten Opfer zu beklagen hatten, kommen unvermindert. Auch die Japaner zeigen sich weniger verschreckt als Europäer und Amerikaner. Und die Balinesen? Kein Rassismus der hinduistischen Mehrheit gegen Moslems, keine Fremdenfeindlichkeit gegen Indonesier von anderen Inseln? »Die Dorfältesten erkundigen sich heute, wer in den kleinen Dörfern kommt und geht. Die Balinesen sind etwas vorsichtiger geworden, aber nicht misstrauisch«, erzählt Amelia, die aus Surabaya auf Java stammt. Seit zwölf Jahren versucht sie die geduldige, tolerante Mentalität der Balinesen zu verstehen. Bis heute, sagt sie, ist auch ihr das nicht völlig gelungen.

Padang Bai an der Ostküste ist immer noch ein kleines Fischerdorf. Jeden Morgen startet von hier die Fähre zur Nachbarinsel Lombok. Nach dem Strandleben und den Shoppingmeilen in Kuta und noch vor dem Kulturprogramm mit Tänzen und Gamelan-musik in Ubud fuhren wir damals für ein paar Tage nach Padang Bai. Wir wohnten in einem Bungalow für fünf Dollar die Nacht, inklusive Frühstück. Heute sind es neun und auch der Hummer im Restaurant kostet keine zwei Dollar mehr. Sicher, das Dorf ist größer geworden, aber verbaut wurde in Padang Bai nichts. In Ubud kaufe ich dann noch eine Papierlampe für meine Frau, höre Gamelan-Pop, starre nachts lange von der Terrasse vor meiner Suite in die grünen Hügel, springe zwischendurch in meinen Pool und achte sogar auf das Blumenschälchen am Rand, um ja den Swimmingpool-Gott nicht zu erzürnen. Am nächsten Tag gönne ich mir eine balinesische Massage und esse abends, in Jimbaran am Strand, Fischcurry mit Krupuk, den Kräckern aus Krabbenmehl. Dazu trinke ich ein Bintang-Bier und schüttle nur mehr den Kopf über mich.

ANREISE Mit Singapore Airlines zweimal täglich ab Frankfurt über Singapur nach Denpasar ab 670 Euro, Tel. 069/71 95-200.

HOTELS Padang Bai Beach Bungalows, 7 Euro, Tel. 0062/363/414 17. Four Seasons Resort Bali at Sayan und Bali at Jimbaran, DZ ab 350 Euro, Tel. 0062/363/70 10 10. Bali Style Villas, mit zehn Zimmern und bis zu zehn Angestellten, ab 500 Euro pro Tag, Tel. 0062/81/338/05 85 71.

RESTAURANT P J’s, am Strand von Jimbaran, das beste Fischlokal der Insel, wie es heißt, Tel. 0062/363/70 10 10.