SZ-Magazin: Lord Glenconner, bevor wir über Mustique reden, muss ich Sie als Erstes nach Ihrem Elefanten fragen.
Colin Tennant, Baron von Glenconner: Meine Elefantendame auf St. Lucia?
Ja. Wir kamen einmal auf einem Segelurlaub bei Ihnen vorbei und sahen Ihren kleinen Elefanten in einer Hütte. Er war danach auf dem Boot tagelang Gesprächsthema.
Ja, das war mein Elefant. Aber es tut mir leid, das Tier ist gestorben, schon 1994. Also muss es zwischen 1987 und 1994 gewesen sein, dass Sie da waren, denn 1987 habe ich Mustique verlassen und bin nach St. Lucia gegangen, wo mein neues Resort »Beau Estate« liegt. Beide Inseln liegen ja nah beieinander.
Was machte ein kleiner Elefant auf St. Lucia?
Kennen Sie Elefantengras? Ein Gewächs, das auf St. Lucia gedeiht. Das brachte mich auf die Idee. Über Zirkusleute fanden wir eine junge Elefantendame im Zoo von Dublin, sie war als Zweijährige in Uganda gefangen worden. Ich kaufte sie dem Zoo ab, sie hatten dort während der Rezession in den Achtzigerjahren sowieso nicht genug Geld, um die Tiere zu füttern. Gerade die Deutschen haben sie sehr gemocht; zu uns kamen damals viele Deutsche, die viel Geld ausgaben und Unmengen von Bier und Rum Punch tranken.
Man könnte meinen, dass man als Grundbesitzer und Hotelier auf den West Indies andere Sorgen hat, als einen Elefanten einzubürgern.
Die hatte ich auch, als alles anfing auf Mustique. Ich habe die Insel 1958 gekauft. Wir hatten Land in Trinidad seit den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts. Das verkaufte ich und wollte das Geld nicht zu Hause investieren. Die Frau meines heutigen Managers schlug vor: »Warum kaufst du nicht Mustique?« Also fuhren wir hin, und ich dachte: Warum nicht? So fand ich mich wieder als Besitzer von Mustique. Es gab dort am Anfang wirklich nichts, keine Straße, keine Telekommunikation, keinen Strom und im ganzen Archipel von St. Vincent, wozu Mustique gehört, keinen Flughafen. Ganz zu schweigen von medizinischer Versorgung, Schule …
Zeitungen?
Gibt es bis heute nicht.
Traumhaft.
Auch die Post organisierten wir selbst. Als ich rüberging, machten meine Freunde sich ernsthaft Sorgen. Ich achtete nicht darauf. Meine erste Sorge galt dem bestehenden Dorf. Ich stellte jeden Bewohner fest an, wir bauten das Dorf neu auf, das war ein wichtiger Schritt. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, in Schottland, ganz weit draußen. Mein Leben und das meiner Familie hatte immer mit dem dörflichen Zusammenhalt zu tun.
Von diesem Ursprung hat sich Mustique schnell wegentwickelt, zu einer Privatinsel, auf der reiche und schöne Menschen unter sich sein und alle anderen draußen bleiben sollen. Sie schufen das erste und noch immer berühmteste Jetset-Resort, für Prinzessin Margaret, Mick Jagger und viele andere.
Man kann aber nicht sagen, dass das alles geplant war. Eigentlich lag das vor allem daran, dass ich immer schon so viele berühmte Leute kannte. Ich war von Jugend an ein guter Freund von Prinzessin Margaret. Auch von der Familie meiner Frau her gab es Verbindungen zum Königshaus. Als Margaret heiratete, sagte ich zu ihr: »Würdest du lieber ein paar Cocktail-Shaker haben oder etwas Land auf Mustique?« Sie sagte: »Lieber Mustique.« Als ihre Ehe auseinanderging, fragte sie mich eines Tages: »Dein Geschenk, war das dein Ernst?« – »Natürlich.« – »Gut, aber gehört das Haus auch dazu?« – »Ja.« Mit der Prinzessin begann alles auf Mustique.
Dann kamen sie alle, um bei Ihnen ein Stück Land zu kaufen oder sich wenigstens einzumieten: David Bowie, Bryan Adams, Tommy Hilfiger oder Bill Gates. Auch die Queen war da. Und das soll alles keiner Strategie gefolgt sein?
Ich habe nie Werbung gemacht, es gab nie eine Anzeige für Mustique in einer Zeitung. Ich mache nur Werbung für mich selbst, so wie jetzt gerade mit Ihnen. Die Leute kamen einfach hin, weil andere und ich selbst schon da waren. Aber auf Mustique wurde nie etwas aus finanziellen Gründen getan. Als ich dahin kam, hatte ich auch kein Budget. Ich habe einfach Geld ausgegeben, bis alles fertig war. Das ist die Antwort. Sehen Sie, wenn ich alle Menschen in einem Dorf beschäftige, ist das natürlich, wirtschaftlich gesehen, ein Fehler. Aber ich nähere mich solchen Fragen nicht vom kapitalistischen Standpunkt.
Hat man recht, wenn man Sie einen Exzentriker nennt?
Die Leute sagen das oft. Bin ich ein Exzentriker, nur weil ich es auf meine Art getan habe? Jedenfalls ist Mustique das bekannteste Resort der Welt. Meine Frau sagte kürzlich zu mir: »Als du die Insel kauftest, dachte ich, du wärst verrückt.« Ich hatte damals, 1958, zu ihr gesagt: »Erinnere dich an meine Worte, ich werde etwas Wertvolles daraus machen.« Die Tatsache, dass es Jahrzehnte gedauert hat, war der Grund dafür, dass ich Erfolg hatte. Wenn ich einfach nur irgendetwas hingebaut hätte, was gerade in Mode war …
… wie es heute so oft gemacht wird …
… dann wäre Mustique ein Fehlschlag geworden. Aber dadurch, dass es natürlich wuchs, kam es nie aus der Mode.
Warum glauben Sie zieht es die Menschen zu Ihnen in die Karibik?
Viele, die nach Mustique kamen, waren auf der Suche nach einem neuen Leben, oft gerade zum zweiten Mal verheiratet, mit dem Wunsch, ihre neue Frau in die Gesellschaft einzuführen. Weil sie wussten, dass die Prinzessin da war, konnten sie sich sicher sein, dass alles auf respektvolle Weise geschah.
All das klingt, als ob Mustique eher eine spirituelle Angelegenheit gewesen wäre als ein Geschäft.
Ja. Als ich ganz am Anfang zum ersten Minister von St. Vincent ging – es gab vor der Unabhängigkeit keinen Premierminister –, sagte er: »Was wollen Sie machen?« Ich sagte: »Ich versuche, mein Bestes zu tun.« Das war das einzige Budget, das ich hatte.
Sie waren also der König der Insel?
In gewisser Weise. Oder sagen wir besser: der Eigentümer. Der Arbeitgeber. Ich habe mal gesagt, ich bin so etwas wie der Prokonsul von Mustique. Ich war natürlich mit dem Ansatz der britischen Kolonialzeit vertraut, in einem fremden Land zu sein und Verantwortung zu übernehmen, wie in Indien und anderswo. Ich war auch meine eigene Planungsbehörde, was eine große Hilfe war. Ich musste also nicht durch alle möglichen Ministerien, was schon deswegen gut war, weil die Regierungsbehörden im Tourismusministerium damals noch nicht einmal eine Schreibmaschine hatten und definitiv kein Kohlepapier. Es war wie das Gefühl, am Ende der Welt zu sein.
Finden Sie es nicht selbst erstaunlich, dass daraus so ein Erfolg wurde?
Der Trick dabei war, dass alles dazu diente, Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist einfach so, dass reiche Leute viel mehr Arbeit schaffen als arme oder sagen wir: kostenbewusst reisende.
Sie meinen Menschen wie mich?
Nehmen Sie das Haus, in dem ich auf Mustique wohnte. Es ist jetzt nochmals verändert und deutlich vergrößert worden, und der wohlhabende Mann, der jetzt dort lebt, hat 28 Angestellte. Wäre er ein Reisender in der Touristenklasse, dann würde er sich vielleicht eine kleine Ferienwohnung mieten, selbst kochen, sich einen Gärtner mit dem Nachbarn teilen und so weiter. Mustique aber wurde eben ein Ort für die Reichen, und die wussten, was sie an ihm haben. Wissen Sie, Prinz William machte dort Urlaub – eine ganze Woche lang und es gab kein einziges Foto in der Presse. Für ihn war es der Ort, an dem er der Kamera entrinnen konnte.
Der größte Luxus für jemanden wie ihn.
Absolut.
Warum verließen Sie dann die Insel?
In den Achtzigerjahren bemerkte ich, dass alles getan war, was zu tun war. Die Entwicklung war abgeschlossen, jeder Inseleinwohner hatte einen Job, und die Sache fing an, ein gewöhnliches Geschäft zu werden. Und es hatte sich eine Hauseigentümer-Gemeinschaft entwickelt, die all diese Regeln aufstellte, dass man seinen Rasen nicht vor zehn Uhr mähen durfte und so weiter. So kam es zum Zerwürfnis. Die Welt der Manager und der Business-Reports hielt Einzug, und ich mache so etwas nicht mit. Ich mache keine Vorstandssitzungen, und ich gehe auch zu keiner. Das passt alles nicht zu mir, also verkaufte ich meine restlichen Anteile und ging nach St. Lucia, wo ich bis heute lebe.
Wie unterscheidet sich Ihr Leben dort von dem auf Mustique?
Auf St. Lucia habe ich nur ein vergleichsweise kleines Stück Land auf einer viel größeren Insel. Ich habe jetzt auch lieber Leute um mich, die viel Talent haben und nicht in erster Linie nur reich sind. Ich verkaufe nicht sehr viel Land dort, aber Wladimir Aschkenasi, der große Pianist, wohnt zum Beispiel bei mir. Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Menschen auf Mustique sind alle sehr nett, doch ich ziehe mittlerweile etwas anderes vor. Der Mann, den ich nachher gleich treffen werde etwa, ist eine sehr bekannte Person mit großem individuellem Talent, der auch gut dorthin passen würde. Auch er kam auf mich zu, weil er wusste, was ihn erwarten würde …
Sie können uns doch bestimmt den Namen verraten.
Tut mir leid. Nur so viel: ein sehr bekannter schwarzer Fußballer.
In England? Ashley Cole, Thierry Henry…
Tut mir leid. Das muss genügen.
Stimmt es, dass Sie damals für Mustique nur 45 000 Pfund ausgeben mussten?
Ja, das stimmt. Aber das war damals viel Geld. Das wären heute vielleicht zwei Millionen Pfund.
Bedauern Sie, dass Sie nicht mehr dabei sind auf Mustique?
Kein bisschen. St. Lucia war die viel größere Herausforderung. Dort gab es keine Straßen, alles war ein Dschungel und ich war praktisch allein, hatte einen Angestellten, und wir haben über zwanzig Jahre lang am Aufbau der Insel gearbeitet. In Mustique waren zwanzig Leute bei mir. Aber wir waren natürlich jedes Mal Pioniere.
Was würde Mustique heute kosten, stünde es zum Verkauf?
Schwer zu sagen, das Geld wurde ja investiert und die Insel hat sich entwickelt. Vielleicht hundert Millionen? Allein, was ich an Zeit hineingesteckt habe, wäre hundert Millionen wert. Bei Land ist es so: Du musst Millionen reinstecken, um es wertvoller zu machen. Nachdem ich nicht unvermögend war, wurde ich nicht aus der Bahn geworfen, aber es hatte natürlich Konsequenzen für meinen Lebensstil. Glücklicherweise konnte ich mein Anwesen in Schottland immer erhalten, aber ich musste eine Menge Land verkaufen, um alles finanzieren zu können. Im Endeffekt habe ich kein Geld verloren in Mustique, aber jedenfalls auch keines verdient. Ich habe übrigens auch nie Geld für Wasser oder Strom gefordert. Nach der Energiekrise in den Siebzigern habe ich es mal probiert, ich ging zu den Leuten und sagte, ich müsse nun Geld verlangen. Sie sagten nur: »Hoho.« Und: »No!«
Fahren Sie denn noch manchmal hin?
Ja, ich war vor nicht allzu langer Zeit da, mit Brian Alexander, der seit 1968 mein Manager ist. Er ist übrigens der Sohn von Feldmarshall Alexander im letzten großen Krieg.
Sie meinen den Zweiten Weltkrieg?
Ja.
War es ein komisches Gefühl, zurückzukommen nach Mustique?
Nicht unbedingt. Ich denke nach vorn und nicht zurück.
Wo machen Sie eigentlich Urlaub?
Gar nicht. Ich fahre nur weg, um Sachen zu kaufen, sehr oft zum Beispiel nach Indien, ein paarmal im Jahr. Was soll ich im Urlaub? Ich sitze nie am Strand. Ich glaube, ich bin überhaupt nie am Strand gesessen. Vielleicht mal bei einem Fototermin. Ich habe auch einfach zu viel zu tun, um mich an den Strand zu setzen. Aber ich schwimme jeden Tag, allerdings nur am Abend, nach Einbruch der Dunkelheit. Ich will nicht, dass Gäste sagen, da schwimmt der Typ, dem das hier gehört.
Dass sich das knapp sechs Quadratkilometer große Mustique einmal zur glamourösesten Insel der Welt entwickeln würde, war nicht unbedingt vorauszusehen. Der Name bedeutet »Mückeninsel«. Politisch gehört Mustique zum karibischen Inselstaat St. Vincent und die Grenadinen, ist jedoch weitgehend eigenständig. Colin Tennant, Baron Glenconner, entwickelte sie zu einer Insel für Reiche und Prominente. Vielen verkaufte er Grundstücke – so entstanden die für ihre Schönheit berühmten Villen von Mustique. Glenconner selbst verließ in den Achtzigerjahren im Streit die Insel und seine Mustique Company, die nach wie vor die Geschäfte führt. Über sie kann man auch Villen mieten: zum Beispiel Mick Jaggers Domizil »Stargroves« für bis zu zehn Personen. Preis: 8800 Euro pro Woche in der Neben-, 12 800 Euro in der Hauptsaison (www.mustique-island.com).
Bilder: www.mustique-island.com.