In Spanien gibt es einen Brauch, den könnte man als den kleinen Bruder des Stierkampfs bezeichnen, nur dass es nicht um Stiere, sondern um Tauben, und nicht um den Tod, sondern um die Freuden der Fortpflanzung geht. Zweimal pro Woche lassen spanische Taubenzüchter einen Haufen notgeiler Männchen los, um ein paar Taubenweibchen rumzukriegen, oder sagen wir es doch einfach: zu vögeln. Ein Schiedsrichter verteilt vom Boden aus Punkte und kürt am Ende den galantesten, hartnäckigsten und ausdauerndsten Täuberich, den größten Macho also, zum Sieger.
Das Ganze ist ein Hobby, eine Tradition, ein Sport, und die Regeln sind der Sache entsprechend ziemlich simpel: Ein Taubenweibchen wird gen Himmel geschickt, dazu ein paar Dutzend Täuberiche der Rasse »Buchona Española«, deren Balzverhalten so ausgeprägt ist, dass sie garantiert nur ein Ziel haben: sich zu paaren. Jede Minute, die ein Täuberich mit dem Weibchen verbringt, zählt. Am Ende werden die Minuten addiert. Wer am längsten durchgehalten hat, ist der Sieger. Stimmt schon, erinnert ein bisschen an ein Fußballspiel: ein Haufen älterer Männer, ein Schiedsrichter, grölende Fans – sogar so was wie Trikots gibt es, bepinselt doch jeder Taubenzüchter die Flügeloberseite seines Täuberichs mit seinen persönlichen Farben; es darf auf keinen Fall zu Verwechslungen kommen, schließlich steigert sich nach einem gewonnenen Spiel nicht nur der Wert des Täuberichs, sondern auch das Ansehen des Züchters im Dorf.
Natürlich lässt sich das Spielchen prächtig interpretieren: Alte Männer, denen weiße Haare aus den Ohren wachsen, starren mit leuchtenden Kinderaugen in den Himmel. Es geht um Riten, Männlichkeit und Tradition, um Tauben als Projektionsfläche für Ruhm und Sinnhaftigkeit. Man kann diesen bunten Geschöpfen aber auch einfach nur zusehen und sich fragen, was merkwürdiger ist: ein paar Bauern, die das ewige Spiel der Geschlechter nachspielen, oder Millionen von Menschen, die auf Facebook über sich selbst berichten.
Fotos: Ricardo Cases