Wie Elon Musk den Sternenhimmel verdunkelt

Sie schießen Tausende von Satelliten in den Himmel und planen die Besetzung anderer Planeten: Merken wir eigentlich, was die Superreichen uns gerade alles wegnehmen?

Reicher Mann vor großer Rakete: Elon Musk verkündet, dass seine Firma SpaceX auch den Plan verfolgt, Touristen zum Mond zu befördern.

Foto: AP

Wem gehört eigentlich der Himmel? Also nicht im religiösen Sinne, sondern: der Himmel, den man sieht, wenn man in einer einigermaßen sternklaren Nacht mit möglichst wenig Lichtverschmutzung nach oben schaut. Zwar zieht hier und da mal ein kommerzieller Satellit übers Firmament. Aber noch ist der Nachthimmel ein Gegenbild zur Tag- und Alltagswelt, in der alles, worauf unser Blick fällt, Eigentum eines Individuums, einer Familie, einer Firma oder einer Gemeinde ist. Der Nachthimmel in seiner Gesamtheit gehört niemandem und damit allen. Noch, aber nicht mehr lange. Denn bald gehört er Elon Musk, dem Tesla-Unternehmer und Betreiber der Firma SpaceX. Einem Milliardär, dieser neuen, überlegenen Menschengruppe, die dabei ist, sich diese und alle anderen Welten anzueignen, weil Milliardärsfirmen auf ihrem Heimatplaneten sehr wenig Steuern zahlen.

Elon Musks Firma SpaceX hat vor kurzem eine Reihe von Satelliten in den Himmel geschossen, und zwar buchstäblich: sechzig Satelliten, die man mit dem bloßen Auge in einer Reihe am Himmel erkennen konnte. Nicht wie sonst, wenn ein Satellit einem eher als Sternschnuppe erscheint, sondern als deutliches, menschen- bzw. milliardärgemachtes Zeichen am Himmel. Im Laufe der nächsten Jahre möchte Musks Firma 12.000 dieser Satelliten in Umlaufbahnen um die Erde bringen, um Internet in unterversorgten Regionen der Erde zu bringen. Was erstmal wie ein schönes Projekt klingt. Oder eine typische Weiße-Retter-Fantasie. Die Planetargeologin Divya M. Persaud jedenfalls nennt das, was Musk mit seinen Satelliten erreichen will, schlicht Kolonialismus. Oder, in den Worten der Astronomin und Bloggerin Noisy: »Hier kommt ein mächtiger, reicher, weißer Dude, der großzügig den armen Nicht-Weißen der Welt Internet bescheren wird, ohne Wert darauf zu legen, sie dabei zu Partnern zu machen oder auch nur zu fragen, was sie wirklich brauchen.«

Und schon jetzt merkt man ganz konkret, wie Musk etwas wegnimmt und beschädigt, was eigentlich als Inbegriff des Unangreifbaren galt: das Sternenlicht selbst. Der US-Radiosender NPR zitiert die Astronomin Victoria Girgis mit den Worten, man habe durch die Leuchtkraft der Satelliten schon bei der Anzahl von sechzig Stück »keine Galaxie am Himmel« mehr erkennen können. Der Astronom Alex Parker rechnet vor, dass, wenn Musk seine Pläne umgesetzt hat, mehr SpaceX-Satelliten am Nachthimmel sein werden, als es dort jetzt sichtbare Sterne gibt.

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Künftig wird einem der Blick in den Nachthimmel sagen: Elon Musk ist auch schon da

Bisher war der Nachthimmel etwas, das sich der menschlichen Inbesitznahme entzog. Sputnik, Juri Gagarin und die Apollo-Missionen während des »space race« im Kalten Krieg hatten ihre Bedeutung vor allem dadurch, dass sie im Kopf und auf den Fernsehschirmen stattfanden. Das All schaute die, die dort nach Ablenkung oder Trost vom Erd-Elend suchten, immer mit der gleichen unpersönlichen Erhabenheit an. Matthias Claudius konnte den Sternenhimmel in Der Mond ist aufgegangen als trostreiches Gegenbild zur Tagesmühsal preisen, und das Bild derer, die auf dem Rücken liegen und beim Blick in den Sternenhimmel schwärmen oder philosophieren, ist ein liebgewonnenes kulturelles Klischee und romantische Nachtbeschäftigung, wenn man dreizehn ist. Künftig aber wird einem der Blick in den Nachthimmel sagen: Elon Musk ist auch schon da. Und Amazon-Gründer Jeff Bezos, der ebenfalls eine Weltraumfirma hat und Hunderte eigener Satelliten ins All schießen wird, ebenso die Mit-Milliardäre Richard Branson und Masayoshi Son. Die Financial Times zitiert einen namenlosen »Satelliten-Veteran« mit den Worten: »Das Weltall ist die ultimative Spielzeugeisenbahn für Jungs.«

Nachdem sie den Informations- und Warenverkehr auf der Erde an sich gezogen und damit Milliarden verdient haben, erobern diese paar »Jungs« jetzt also etwas, was bisher immateriell war. Sie beschädigen die Freiheit, von der Erde weggucken und für ein paar Atemzüge nicht an sie und ihre Ausbeutungserfolge denken zu müssen.

Und es wird nicht mehr aufhören. Mit den durch seine Satelliten verdienten drei Milliarden Dollar im Jahr möchte Musk seine Pläne zur Mars-Besiedelung vorantreiben. Sodass ihm eines Tages womöglich nicht nur der Nachthimmel, sondern auch der nächsterreichbare Planet gehören wird.

Vor ein paar Wochen haben sich Kommentaror*innen und Politiker*innen über die Ansätze einer Enteignungsdebatte in Deutschland aufgeregt. Währenddessen findet die wahre Enteignung längst statt: nicht ein paar Superreichen sollen Unternehmensteile vergesellschaftet werden, sondern ein paar Superreiche sind dabei, die ganze Menschheit zu enteignen.