Von Leon Lederman stammt der Begriff »Gottesteilchen«, das sind die winzigen Dinger, die man auch Higgs-Bosone nennt und die vor einer Weile in Genf entdeckt wurden; ich habe jetzt auch eines in meinem Arbeitszimmer gefunden und bewahre es in einer kleinen Schatulle auf, damit es nicht fliehen kann. Man kann das Teilchen nicht sehen, aber es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass es da ist. Irgendwie schreibe ich auch schneller, seit ich weiß, es ist im Raum. Aber das kann Einbildung sein.
Jedenfalls hatte Lederman das Boson zunächst »gottverdammtes Teilchen« genannt, weil es sich nicht finden ließ; erst bei der Arbeit an seinem Buch The God Particle wurde der heutige Begriff gefunden. Dieser Lederman ist Nobelpreisträger für Physik und heuer neunzig Jahre alt geworden. Jetzt sah ich ein Video, auf dem er hinter einem kleinen Falttisch an einer Straßenecke in New York (oder ist es Chicago?) sitzt, neben sich ein handgemaltes Pappschild: »Fragen Sie einen Physik-Nobelpreisträger!«
Hinreißende Idee, oder? Dass einer der besten Köpfe irgendwo sitzt und Fragen beantwortet? Einfach so. Warum geschieht das nicht öfter? Wir leben in einer Zeit, die niemand von uns wirklich versteht, alles ist viel zu kompliziert – und dann kommt man aus der U-Bahn, und einer sitzt an der Ecke und weiß Bescheid, ohne Facebook-Tralala vorher, ohne Ankündigung in der Zeitung. Kostenlos.
Übrigens ist interessant, dass wir zwar die allerkleinsten Teile der Welt finden, dass es aber gleichzeitig allmählich unmöglich ist, deren allergrößte Teile zu sehen. Im Natio-nalpark Eifel wird ein »Schutzgebiet für Sterne« geplant, in dem es keine künstlichen Lichtquellen mehr geben wird. Das Licht der Städte, der großen Fabriken, der Flughäfen verhindert nämlich, dass wir den Himmel so sehen können, wie ihn unsere Eltern sahen: Tausende von Sternen! Wir können, sagt die International Dark-Sky Association, die sich dem Kampf gegen die Lichtverschmutzung verschrieben hat, nur noch allenfalls ein paar Hundert erkennen – und wenn die Erde immer heller wird, demnächst nicht mal mehr die Milchstraße. Wir können also in den Weltraum fliegen, aber sehen können wir ihn bald nicht mehr.
Nun eine Frage (nicht nur an Leon Lederman, sondern an alle!): Wie riecht der Weltraum? Riecht er überhaupt?
Hierzu fand ich interessante Neuigkeiten im Magazin The Atlantic, wo man erfährt, wie Astronauten den Geruch da draußen beschreiben. »Der Weltraum«, sagt der Amerikaner Tony Antonelli, »riecht definitiv anders als alles andere.« Aber wie? Ein schwach beißender Geruch, sagt einer seiner Kollegen. Wie heißes Metall, nennt es ein anderer. Wie Rauch bei Schweißarbeiten, so ein dritter. Wie verbranntes Steak, so ein vierter. (Ja, bin ich denn schon im All?, wird sich nun mancher in seiner Küche fragen.) Wie Schießpulver, sagt Thomas Jones von der NASA, schweflig. Schweflig? Im Himmel? Schluck!
Nebenbei gesagt sind das Geruchs-Nachrichten, die sich relativieren, wenn man hört, wie es einst im Inneren der berühmten Raumstation Mir roch: Dort stieg dem Neu-Ankömmling, wird berichtet, eine Mischung von Schweißfüßen, ungewaschenen Körpern, Nagellackentferner und Benzin in die Nase, dazu das Aroma von Wodka, den russische Kosmonauten stets mit sich führen.
Das ist das eine. Das andere ist, dass man, wenn ich alles richtig verstanden habe, auf der Suche nach extraterrestrischem Leben in der Mitte der Milchstraße eine chemische Substanz fand, ein Ethylformiat, das hier auf Erden unter anderem für den Geschmack von Himbeeren verantwortlich ist, selbst aber wie Rum riecht.
Seltsam, nicht wahr? Man liegt nächtens auf einer Wiese, versucht zwischen all der Lichtverschmutzung ein paar Sterne zu erkennen und stellt sich vor, dass es da oben nach Schweißfüßen und verbranntem Steak riecht, nach Rum und Wodka…
Und dass die Sterne nach Himbeeren schmecken.
Illustration: Dirk Schmidt