Was den Zoo in Münster angeht, so hatte er in den Wintermonaten immer folgendes Problem: Es kamen zu wenig Leute. Die Tiere fraßen also ihr Futter wie immer, die Affenkäfige waren gut geheizt und warm wie der Dschungel, und die Wärter erwarteten, auf ihren Konten Gehälter vorzufinden.
Aber in den Kassen war nicht viel Geld.
In solchen Situationen gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder man macht es wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und treibt Geld auch von Leuten ein, denen alle Rundfunkanstalten wurscht sind.
Oder man zwingt die Menschen: In China gibt es jetzt zum Beispiel ein Gesetz, das auch alle erwachsenen Bürger verpflichtet, ihre Eltern regelmäßig zu besuchen; geschieht das nicht, können die Eltern solche Visiten einklagen. Entsprechend könnten die Münsteraner Elefanten verlangen, von jedem Münsteraner mindestens einmal im Monat betrachtet zu werden; wer dies nicht tut, wird dann eben von den Elefanten besucht.
Drittens kann man es machen wie der Autor dieser Kolumne: Deren Lektüre steht selbstverständlich jedem Leser frei. Er muss aber mit unangekündigten Besuchen des Verfassers rechnen, der immer wieder unnachsichtig Inhaltsangaben der letzten zehn Texte anfertigen lässt. Schlechte Noten bei den Tests können gravierende Konsequenzen haben, die gefürchtet drakonischen Strafen werden vollständig willkürlich festgesetzt und reichen vom Besuch mehrerer Heimspiele des TSV 1860 München bis zur Lektüre von Finnegan’s Wake.
Der Zoo in Münster hat jetzt ein weiteres Modell erprobt. Er hat nämlich den Gästen freigestellt, wie viel Eintritt sie zahlen wollten, im Zweifel auch nichts. Ergebnis: ein Rekordbesuch. Im Dezember kamen so viele wie noch nie seit Gründung des Tierparks vor fast vierzig Jahren. Zwar zahlten sie pro Nase natürlich viel weniger für ihre Karte als regulär, die Münsteraner sind ja nicht blöd. Aber weil eben viel mehr Leute kamen, nahm der Zoo zweieinhalb Mal so viel Geld ein wie sonst.
Pay-What-You-Want nennt sich dieses Prinzip. Es soll Restaurants geben, die es praktizieren, auch nicht wenige Museen, und natürlich funktioniert es nur bei guter sozialer Kontrolle, das heißt: Wie viel man zahlen möchte, sollte man der Dame oder dem Herrn im Kassenhäuschen ins Gesicht sagen, und wer ganz umsonst rein will, muss es dem Tiger erklären.
Noch weiter geht derzeit nur die Milton Keynes Gallery in der Stadt Milton Keynes nördlich von London. Dort nämlich hat ein Künstler namens Tomas Georgeson einen unterschriebenen Scheck über 8000 Pfund versteckt, was den Besuch der Galerie spürbar intensivierte – wobei sich die Aufmerksamkeit des Publikums ebenso auf Georgesons Kunstwerke richtete wie auf die nicht von ihm geschaffenen Lampen und Luftbefeuchter.
Ist das verwerflich? Auf wie vielen Millionen Kindergeburtstagen hat man schon die Freude des Menschen am Suchen und Finden eines Schatzes genutzt, um den Kleinen ein wenig Bewegung und frische Luft zu verschaffen?! Und hier wird der Mensch eben von seiner Gier verleitet, ein Museum zu besuchen. Er kommt also wegen des Schecks, aber bleibt er nicht vielleicht wegen der Kunst?
Jedenfalls bin ich gespannt auf den nächsten Winter, wenn der erste Zoo Pay-What-You-Want mit dem Scheck-Prinzip verknüpft und ungeheure Besuchermengen diesen Tierpark überschwemmen. Versteckte man ihn zum Beispiel im Krokodilrevier, bekäme der Begriff »Schnäppchenjäger« auch noch mal einen ganz neuen Beiklang.
Illustration: Dirk Schmidt