Das Beste aus meinem Leben

Der Sprach-Wertstoffhof (XIV): »Meine gefühlten Herzgrüße und Empfehlungen« – so beginnt eine E-Mail, die Professor S. in Tübingen eines Tages auf seinem Bildschirm fand, abgesandt von einem Absolventen der Universität Madras/Indien, der sich um einen Posten bewarb, »ungeachtet der Tatsache, dass ich in ganz eine bequeme Position in der gegenwärtigen Universität gelegt werde«. (»Ist er schon deutscher Beamter?«, fragt dazu S.)Meine gefühlten Herzgrüße: eine ganz wunderbare Grußformel, wie ich finde, geeignet sowohl für Anfang wie für Ende von Briefen; sie liegt hiermit zur Abholung für Interessierte im Wertstoffhof bereit.Herr S. aus Genf erkundigt sich, ob im Wertstoffhof das Wort »Wachstum« in nennenswerten Mengen vorrätig sei. Er arbeitet nämlich für einen US-Konzern, dessen Vorstandsvorsitzender einmal einen Kollegen, der in einer Präsentation das Wort »Wachstum« verwendet hatte, mit den Worten zurechtwies: »Wachstum interessiert mich nicht, ich will Profit sehen.« Daraufhin sei das Wort »Wachstum« monatelang mithilfe der Suchfunktion des Computers aus allen Vorstandsvorlagen konsequent getilgt worden, es habe einfach nicht mehr existiert. Nun aber gebe es, so S., einen neuen Vorstandschef, der die gegenteilige Strategie verfolge: Wachstum gehe auf einmal vor Profit. Aber das Wort sei nicht mehr da! Jedenfalls nicht in den benötigten großen Mengen. Ich bitte also alle, in deren Firmen gerade Profit vor Wachstum geht, um Hilfe und Einlieferung nicht benötigter Exemplare von »Wachstum«.Eine weitere Nachricht aus dem Geschäftsleben. Frau D. aus Montabaur bestellte vor einer Weile eine CD bei Amazon, diese kam dann per Luftpost aus den USA, schnell genug für Frau D., aber nicht schnell genug für die Vertriebsfirma selbst, die sich mit einer Mail wortreich entschuldigte (»Bitte traurig für irgendeine Unannehmlichkeit, dass dieses diesmal verursachen kann«) und zum Kontakt aufforderte (»also bevor Sie ein Rückgespräch leben, treten Sie und mit uns überprüft in Verbindung«). Die Post schloss mit einem Satz von, wie Frau D. schreibt »orakelhafter Schönheit«, der sie den ganzen Nachmittag rätseln ließ: »Erinnern Sie sich, Ihre Einzelteilzahl für unsere Aufzeichnungen einzuschließen.«Ein weiter Sprung nun: auf die Damentoilette der Theologischen Fakultät der Leipziger Universität. Von diesem mir normalerweise unzugänglichen Ort erreichte mich die Zuschrift von Frau L. Sie entfernte dort einen Zettel und schickte ihn mir, einen Aushang mit der Aufschrift: »Bitte verlassen Sie die Toilette in einem ordentlichen und sauberen Zustand!!!« Jemand hatte mit Rotstift das ver- bei »verlassen« durchgestrichen und durch hinter- ersetzt. Jemand anders hatte widersprochen: »Wenn ich sterbe, hinterlasse ich etwas, und ich hatte nicht vor, hier zu sterben!« Die Nächste hatte geschrieben: »Tja aber verlassen in diesem Zusammenhang heißt wohl die Person verlässt ordentlich und sauber das Klo!« Eine weitere Klientin hatte ergänzt »… und das ist sicherlich auch wünschenswert!« Eine fünfte schrieb: »Hallo du, die du hier nicht sterben willst – ist deine Aussage eigenes Gedankengut, oder wer hat das gesagt? Meiner Meinung nach kann man in der heutigen deutsch sprache auch für andere Zwecke, außer zum sterben, ›hinterlassen‹ nehmen!«Konnte man übrigens schon immer, hätte ich dazugeschrieben und an Dom Karlos erinnert. Der spricht in Schillers Drama zum Prior des Kartäuserklosters, während er seinen Jugendfreund erwartet, den Marquis von Posa: »Er will / doch wiederkommen? Hinterließ er nicht?«»Vor Mittag noch, versprach er«, antwortet der Prior.In der nächsten Szene tritt Posa dann auf, weder von der Toilette kommend noch als Toter, sondern quicklebendig.Na ja, nehmen wir den Leipziger Zettel also als Aufforderung zu hygienischem Verhalten in jeder Hinsicht, wobei anzumerken ist, dass sowohl das Wort »hygienisch« als auch sein Gegenteil »unhygienisch« für viele Nutzer der heutigen deutsch sprache offensichtlich nicht unproblematisch ist. Jedenfalls entdeckte Frau S. aus Berlin bei brigitte.de das Wörtlein »unhyänisch« und fragt sich seither, was man sich wohl unter »hyänisch« vorzustellen habe.Der Sprach-Wertstoffhof schließt für eine Weile mit der Zuschrift von Frau K., die gerade die Windel ihres jüngsten Kindes gewechselt hatte und dann dem auf ihrem Laptop erscheinenden Wort »Popups« eine ganze andere Bedeutung als die gemeinte zumaß.

Illustration: Dirk Schmidt