Mein Lieblings-Banküberfall ereignete sich 1965 in der Banca del Lavoro in Piacenza. Ein junger Mann (er hieß, wie eine beglückte Öffentlichkeit später erfuhr, Horst Fantazzini) trat vor den Schalter und richtete eine Spielzeugpistole auf die Angestellte. Sie fiel in Ohnmacht, worauf unser Mann ebenfalls so erschrak, dass er den Raum unverrichteter Dinge verließ. Am nächsten Tag erhielt die Bankmitarbeiterin einen Strauß Rosen, verbunden mit den Entschuldigungen des Räubers.
Fantazzini nannte man in Italien später il rapinatore gentile, den höflichen Räuber, weil er oft nicht mal ein Pistolen-Imitat benutzte, sondern bloß vor den Tresen trat und sagte: »Würden Sie mir bitte alles Geld geben, das Sie haben, das ist ein Überfall.« Meistens reichte das, wie es auch 1981 reichte, dass ein gut gekleideter Mann in einer Genueser Bank einen Termin mit dem Direktor erbat, dem er sich in dessen Zimmer folgendermaßen vorstellte: »Ich bin Herr Parodi von den Roten Brigaden.« So ersuchte er um den gesamten Inhalt des Geldschrankes; folge man seiner Bitte, werde nichts geschehen … Der Direktor wähnte, sein Haus sei von Terroristen umstellte, und leistete Folge.
Man kommt schnell ins Erzählen, wenn es um Bankraub geht und ein so anekdotenreiches Buch wie Klaus Schönbergers fast zwanzig Jahre alter Band Va Banque. Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte im Regal steht. Es handelt sich hier um ein vielschichtiges Gewerbe, das von Bonnie und Clyde über ausgebuffte Tresorknacker wie die Brüder Sass (im Berlin der Dreißigerjahre) hin zum russischen Hacker reicht, der sich wie ein Wurm ins Bankeninnerste vorarbeitet.
Wobei wir hier schon beim Problem sind, jedenfalls dem Problem des klassischen Bankräubers, der als Einzelner (Mann des Volkes) der Bank (dem Kapitalismus) gegenübertrat und sich holte, was er benötigte. Als solcher hatte er, wenn er nicht gewalttätig auftrat, nicht selten unsere heimliche Sympathie. Aber nun entnehme ich den Statistiken, in welchem Niedergang sich das Gewerbe befindet. Verglichen mit dem Bankraub ist die Lage der Landwirtschaft rosig, nur dass bank robber keine schlagkräftige Lobby haben. Sie sind dem Geschehen ausgeliefert.
Worin besteht dieses Geschehen? In der Abschaffung des Bargeldes natürlich. Im Jahr 2003 gab es in Deutschland noch 767 »Raubüberfälle auf Geldinstitute«, 2017 waren es nur hundert, dabei haben die Sparkassen die Bezahl-App auf dem Smartphone erst dieser Tage eingeführt. Und in Schweden, wo selbst Klingelbeutel in der Kirche elektronifiziert sind? Nur zwei Räubereien im Jahr 2016 statt 110 acht Jahre zuvor. Bankraub, stand schon vor Jahren in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, sei »die Vinyl-Schallplatte unter den Verbrechen: nur noch etwas für Liebhaber, Spinner und Ewiggestrige«.
Für den Berufsstand bedeutet das: Umschulung! Aus Schweden hört man, der Diebstahl von Computern und Luxuswaren nehme zu, auch werde plötzlich mehr mit geschützten Tierarten gehandelt; seltene Eulen wie den Bartkauz könne man für gut 100 000 Euro illegal erwerben. Und das Hackerwesen erfährt Zulauf, wobei hier eben nicht jeder Drogenabhängige, der cash braucht, reüssiert.
Apropos Hacker: In Neapel gab es Anfang der Neunzigerjahre einen Experten, der im Fenster eines kleinen Ladens einen fingierten Bankomaten aufbaute. Dahinter saß, was draußen natürlich keiner wusste, einer, der jede hereingeschobene Bankkarte entgegennahm, die Geheimzahl notierte und auf dem Bildschirm die Mitteilung erscheinen ließ, die Karte sei defekt und müsse eingezogen werden, man möge sich bitte »morgen« ans Kreditinstitut wenden. Abends ging er mit mehreren Dutzend Karten zu einem echten Automaten und ließ sich Bargeld auszahlen.
Bitte, ich halte nichts von Nostalgie, außer im Fußball. Aber manche Verbrechen waren früher schöner.