Nehmt das, Salvini, Trump und Erdoğan!

Wohin mit der Wut und dem Hass, die von allen Seiten auf uns eindringen? Man muss etwas Gutes daraus machen, finden Axel Hacke und Mahatma Gandhi.

Illustration: Dirk Schmidt

Seit Längerem bin ich der Meinung, dass gegen jene traurigen Gestalten, die mit aller Macht unsere Welt bestimmen möchten, gegen die Trumps und Salvinis, die Putins und Erdoğans, die Bolsonaros und Gaulands, dass also gegen die von diesen Menschen erzeugte Welle von Wut, Hass und Lügen nur eines hilft: umfassende Freundlichkeit.

Das ist naiv? Glaube ich nicht.

In seinem Buch Wut ist ein Geschenk schildert Arun Gandhi, der Enkel vom Mahatma Gandhi, unter anderem die vielen Gespräche, die er als Kind und junger Erwachsener mit seinem Großvater führte: Es ging darin um die Frage, was für ein Mensch man sein will und sein sollte und wie man die Welt zu einem besseren Ort machen kann. Und es ging auch darum, wie man mit Wut umgeht, jenem Empfinden also, das in mir – nur ein Beispiel von viel zu vielen – einmal wieder köchelte, als ich vor Kurzem las, der amerikanische Präsident habe vor den Wahlen in den USA einen republikanischen Kongressabgeordneten begeistert gelobt (und zwar ausdrücklich für diese Tat!), der einen Journalisten brutal niedergeschlagen hatte. Und er habe diesen gerichtlich verurteilten Gewalttäter zum Vorbild ­erklärt.

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»Wut ist etwas Gutes. Ich werde andauernd wütend«, sagte Mahatma Gandhi zu seinem Enkel, der seinen Ohren kaum traute. Nie hatte er seinen Großvater wütend gesehen. Warum nicht? »Weil ich gelernt habe«, sagte der Opa, »meine Wut für das Gute zu nutzen.«

Was heißt das: seine Wut für das Gute nutzen?

Gandhi gab ein Beispiel. Seit Jahrhunderten hatte die indische Baumwollindustrie Textilien produziert, doch nun kauften englische Konzerne die Baumwolle des Landes auf, verarbeiteten sie und verkauften den Stoff teuer an die Inder zurück. Die Leute waren wütend, denn diese Textilware, aus ihrer eigenen Wolle hergestellt, konnten sie sich oft nicht leisten; sie liefen in Lumpen herum. Gandhi aber griff nicht wütend die Briten an. Er begann selbst zu spinnen und ermunterte die Inder, dies auch zu tun, also ihre eigene Wollware herzustellen – mit enormen Auswirkungen, die auch die Engländer zu spüren bekamen.

Ich halte das für einen wichtigen Gedanken, weil er zeigt, dass man seine Wut nicht in Hass, Geschrei, Schimpfen äußern muss, sondern sie in eine Energie verwandeln kann. Wer seine Wut einfach herauslässt, zetert, tobt und den Gegner attackiert, begibt sich auf dessen Ebene. So tut er, was dieser Gegner will. Damit hat er sich zum ­Opfer gemacht. Das ist falsch.

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Richtig ist: sich zu überlegen, wie und wer man eigentlich sein will. Und dann entsprechend zu handeln, beharrlich, gelassen, zielstrebig.

Bruno, mein alter Freund, sagt, er habe die Mail eines Mannes bekommen, der ihn wegen eines Fehlers, den er, Bruno, gemacht habe, rüde attackierte. Er habe den Fehler zugegeben, sagt Bruno, aber den Mann gleichzeitig freundlich gefragt, warum er denn in diesem – der Sache, um die es gehe – doch komplett unangemessenen Tonfall schreibe: beleidigend. Zehn Minuten später kam die Antwort: Der Schreiber entschuldigte sich, er habe sich im Ton vergriffen, ihm sei der Gaul durchgegangen, das sei ihm peinlich.

Ich glaube, dass Freundlichkeit die Welt verändern kann, an jedem Tag und in jeder Minute. Ich meine nicht: unterwürfiges Lächeln. Ich meine nicht: sich der Auseinandersetzung zu entziehen. Ich ­meine nicht: vor den Schulhofprüglern zu weichen.

Ich meine die Erkenntnis, dass derjenige schwach ist, der bloß die Kraft seiner rücksichtslosen Gemeinheit kennt.

In Jahrtausenden Menschheitsgeschichte sind es immer diese Leute gewesen, die andere ins Unglück stürzten, nicht diejenigen, die auf die Kraft des Wohlwollens und des Respekts vertrauten und die stark genug waren, ihre unbezähmbare Wut in zielstrebige Arbeit für die eigenen Ziele und in beharrliche Liebenswürdigkeit zu verwandeln.