Claudia Schiffer

Wenn die Karriere eines erfolgreichen Fotomodels zu Ende geht, wenn das tausendfach reproduzierte Gesicht von den Titelblättern und Werbeflächen verschwindet, dann gibt es gewöhnlich zwei Möglichkeiten: Die Verbreitung des bekannten Bildes versiegt oder sie wuchert. Von dem einen Schicksal künden all jene ehemals so begehrten Topmodels, deren Namen man bereits seit Jahren vergessen hat; für das andere steht etwa Kate Moss, deren Gesicht zwar weiterhin überall präsent ist, aber nicht mehr im sorgsam inszenierten und vervielfältigten Rahmen professioneller Fotoshootings, sondern auf einer Vielzahl von unliebsamen Schnappschüssen, ausgelöst von Paparazzi oder zufällig anwesenden Passanten.Claudia Schiffer, bald 37, seit 1998 nicht mehr regelmäßig auf Laufstegen zu sehen, ist in dieser Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Sie hat es geschafft, ein knappes Jahrzehnt nach dem Ausstieg aus der Modewelt die Bildzirkulation sowohl am Leben zu erhalten als auch selbst zu kontrollieren. Models werden bekanntlich gern mit aristokratischen Attributen belegt, sie sind »Beauty-Queens«,»Schönheitsköniginnen« und Ähnliches, doch wenn ihre Zeit abgelaufen ist, müssen sie unverzüglich abdanken, werden von ihrem Thron zurück ins bürgerliche Leben gestoßen. Bei Claudia Schiffer hat man dagegen den genau entgegengesetzten Eindruck: dass sich dieser Prozess der Aristokratisierung in den letzten sieben, acht Jahren immer konsequenter vollzogen hat (und das nicht nur, weil ihr Ehemann, der Filmproduzent Matthew Vaughn, kurzzeitig als Sprössling eines alten Adelsgeschlechts galt). Die zweifache Mutter taucht nur noch in den exponiertesten Zusammenhängen auf, auf Veranstaltungen von zumindest nationalem Belang.Was an Claudia Schiffer mittlerweile am stärksten ins Auge fällt, ist ihr Wille zum staatstragenden Auftreten, zur Repräsentation; so wie jedes Land seinen Nationalheiligen und seinen Nationaldichter hat, ist sie in Deutschland eine Art Nationalschönheit geworden. Nachdem die eleganteste Fortsetzung eines Model-lebens, die Karriere als Filmstar, bei Schiffer nach einigen unglücklichen Kleinstrollen stagnierte, verlegte sie sich ganz auf die Rolle der erhabenen Botschafterin. Ihre wichtigsten Aktivitäten in den letzten Jahren: Spendenakquise für das Berliner Holocaust-Mahnmal, Repräsentantin im Organisationskomitee der Fußball-WM 2006, Aufruf zum Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Erde, an der Seite von Bob Geldof, Gesicht einer weltweiten Imagekampagne für Deutschland, Engagement in der »Deutschen Knochenmarkspenderdatei«, schließlich Plädoyers auf dem Davoser Wirtschaftsforum für die Reduktion des CO2-Ausstoßes. Wichtigste Voraussetzung für ihre neue Funktion ist dabei die vollkommene Steuerung dessen, was man die Ökonomie des eigenen Bildes nennen könnte. Unerbittlich wird überwacht, in welchen Zusammenhängen und auf welche Weise das Gesicht Claudia Schiffers erscheint. Überall dort, wo es nicht zu sehen sein soll, sorgt man mit aller Strenge für seine Verhüllung (man denke etwa an ihre Hochzeit 2002, als sie mit Wolldecken behangen in die Kirche geführt wurde und den Unmut der wartenden Dorfbevölkerung auf sich zog). Es ist kein Zufall, dass es von Claudia Schiffer – schwer zu glauben angesichts ihrer Prominenz – keine Biografie gibt; mit Ausnahme eines von Karl Lagerfeld herausgegebenen Fotobandes von 1995 nicht einmal eine einzige Publikation. Und wenn sie sich doch noch einmal für Fotoaufnahmen oder Statements zur Verfügung stellt, dann ist jedes Bild, jedes Wort doppelt und dreifach abgesichert. In den Shootings sind, wie häufig zu lesen war, die Posen bis zur Anzahl der geöffneten Blusenknöpfe vertraglich festgelegt; die selten gewährten Interviews wiederum zeichnen sich durch einen Verlautbarungstonfall aus, dem man die Prüfung durch ein Heer hoch professioneller PR-Fachkräfte anmerkt. Aus dem passiven Fotomodel, das sich gegen Geld abfotografieren ließ, ist eine souveräne Lichtgestalt geworden, die von Zeit zu Zeit aus dem Reich der Schönheit herabsteigt.