Tom Collins gefällt das

Was bietet man Gästen an, wenn man wenig Routine beim aufwendigen Kochen hat? Dann räumt man den Kühlschrank frei und macht Platz für alles, was man für diesen unterschätzten Longdrink braucht.

Der Tom Collins geht angeblich auf einen Londoner Barkeeper zurück: Ob dieser kochen konnte, ist nicht überliefert.

Foto: Maurizio Di Iorio

Ich habe Kochen immer so verstanden, dass man etwas ausprobiert und es dann auch aufessen muss. Menschen, die ein Standard­gericht draufhaben, habe ich nie so recht verstanden. Ist das nicht langweilig, das Gleiche immer wieder zu kochen, kann man das dann selbst überhaupt noch genießen?

Seit ich für ein Kind koche, haben sich ohnehin schon so viele Standardspeisen eingeschlichen. So, dass es zunehmend unattraktiv erscheint, für Gäste auch noch einen Klassiker zu kochen. Das Problem ist nur: Weil das so ist, koche ich nie für Freunde. Denn ich kann kein ansprechendes Gericht so gut, dass ich zu ihm einladen könnte. Und mit fast vierzig muss ich feststellen: Mir fehlt absolut die Erfahrung, die Routine, jeden Handgriff muss ich erst lange durchdenken. Dünsten? Was war das noch mal? Ach ja, o.k. Abdecken? Womit nur? Ach ja, da hatte ich doch so ein plattes Sieb, das müsste doch noch irgendwo sein, irgendwo beim Waffeleisen, wo war das noch mal? Fisch anbraten? Wie lange? Dann in den Ofen? Oder macht man das nur bei Fleisch? Alufolie drüber? Ich muss so was im Kochbuch nachgucken, googeln, schnell meine Mutter fragen. Es dauert einfach alles – auch das noch – unterschiedlich lange.

Mein Kind erzählte neulich seiner Freundin, es kriege am Abend oft drei Gänge vorgesetzt. Da musste ich still grinsen, denn bei mir wird bloß alles asynchron fertig. Wie man es schafft, in vier Töpfen verschiedene Sachen zuzubereiten, aber zeitgleich damit fertig zu werden, ist mir schlicht ein Rätsel. Ich nehme an, die theoretische Schwierigkeit lässt sich auflösen, wenn man mit Choreografie kocht. Dann werden die Arbeitsschritte zum Tanz, und man denkt nicht mehr, sondern bewegt sich einfach. Greift die Pfanne, senkt das Messer, schnippelt hier und würzt dort. Hackt Schnittlauch, hoch das Beil. Und alles macht plötzlich Sinn, die Möhren kommen in Topf A, wenn die Butter in Pfanne B geschmolzen ist, dann die Kartoffeln in den Ofen, und am Ende passt es, wenn man es oft getanzt hat. Zuletzt hatte ich den Fisch und die Zitronensauce hingekriegt, aber der Brokkoli war verkocht, kalt und ohne Geschmack, die Pommes schon etwas trocken. Vier Baustellen sind zwei zu viel für mich.

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Da, zum ersten Mal, bereute ich, mich nie auf ein Gericht kapriziert zu haben. Einen Klassiker draufzuhaben, eine Sache, die gut einzukaufen ist, schnell geht, lecker aussieht und gut schmeckt. Einfach diese eine Sache, die es bei mir oft gibt, was Simples, etwas aus höchstens vier Töpfen, nicht teuer, was ich für drei Kinder hinkriege, aber auch für sieben Erwachsene. Etwas, das man als gelungen betrachten kann. Etwas, bei dem die Gäste vielleicht nachher nach dem Rezept fragen, aber es nie kochen, sondern sich einfach dann und wann wieder bei mir einladen, um es noch mal zu essen.

Kurz habe ich überlegt, stattdessen nur noch zum Trinken einzuladen. Im Kühlschrank Platz machen für Spirituosen und immer Tom Collins mixen: Eiswürfel, Gin, Zuckersirup, Zitronensaft, Soda, Kirsche drauf. Fertig. Aber irgendwie scheint mir das geschummelt.

Früher, als junge Frauen, haben meine Freundinnen und ich immer unsere Witze gemacht über Männer, die genau dieses eine Gericht draufhatten, um es bei einem Date zu kochen. Ich bekam oft Nudeln mit Tiefkühllachs, es waren die Nullerjahre. Noch heute verbinde ich ungelenke Berührungen mit verpfefferter Sahnesauce. Aber was soll man sagen: Da hat wenigstens der Mut gestimmt. Nun, man kann sich eine Menge von Männern abschauen. Etwa das Verständnis, Dinge selbstbewusst auf dem Niveau zu erledigen, das einem zugänglich ist. Einladung folgt.