Zum Beispiel Snowboarding. Und »Lords of the Boards« von den Guano Apes. Ein Trendsport, von dem alle reden - und ein passender Hit dazu. Ein Trend ist nämlich erst dann ein Trend, wenn es einen eigenen Song dafür gibt. Warum? Ein Lied schafft Einigkeit für die Fans, gibt einer oft noch etwas unscharfen Modeerscheinung einen theoretischen Überbau und lässt sich, nebenbei gesagt, auch prima verkaufen, wenn gerade eh alle scharf auf das Thema sind. Anlässlich des ersten Pokémon-Go-Songs in den Charts: eine kleine Hitliste der fünf kuriosesten Trend-Songs der letzten Jahre.
1. Der Pokémon-Go-Song
Der Trend: Seit einem Monat laufen nun Millionen junger Leute zu Fuß durchs Stadtbild, um kleine Monster auf dem Smartphone-Bildschirm zu fangen. Das Spiel hat zu Überfällen, Messerstechereien und Verkehrsunfällen geführt. Andererseits merken die Deutschen nun endlich mal, wie viele Jugendliche es hierzulande überhaupt gibt. Und wie viel weniger freie Parkbänke, wenn die jungen Leute mal nicht daheim vor der Glotze hocken. Auch wieder scheiße.
Der Song… steht aktuell auf Platz 1 der deutschen Viral-Charts von Spotify. Das heißt, er wird häufiger geteilt als jeder andere. Das kann niemanden wundern, der mal gehört hat, mit welcher Musik das Spiel von Haus aus untermalt ist - schlimmer als Tetris, man hält das Gedudel unmöglich länger als drei Minuten aus. Der Youtuber Lukas Litt liefert mit diesem Song also eine dringend benötigte Alternative. Er rappt, wie »übertrieben glücklich« er ist, dass »das Geschäft ruft«. Er trifft sich mit seiner »Squad« im Park, »erobert Arenen«, kommt zu spät zu Verabredungen, wenn »auf dem Weg ein Pokéstop liegt«. Nah am Leben eines jungen Pokémon-Trainers also - und musikalisch nur fast so eintönig wie das Spiel.
2. Der Planking-Song
Der Trend: Im Jahr 2011 legten sich Menschen erst in Australien, dann weltweit kerzengerade bäuchlings auf Gegenstände (Tische, Stühle, Brückengeländer) und taten für ein Foto so, als seien sie ein Brett. Faustregel: Je absurder das Bild, desto geiler.
Der Song… ist relativ aufwendig produziert, klingt nach Südstaatenrap á la Lil Wayne. Der Text ist eine gewissenhaft gerappte Schritt-für-Schritt-Anleitung zum korrekten Planking: »Lay ya body down / throw ya arms back / straighten out ya legs / make sure ya lying flat«. Ein Fitnesstrainer könnte es kaum präziser erklären.
Was damals noch keiner ahnte: Im Mai 2011 starb ein 20-Jähriger Australier bei dem Versuch, auf einer Balkonbrüstung zu planken. Der Trend war kurz darauf vorbei.
3. Der Facebook-Song
Der Trend: Im Jahr 2007 gab es ein ominöses neues »soziales Netzwerk«, drei Jahre zuvor hatte das ein gewisser Mark Zuckermann (oder so) gegründet. Ein bisschen wie MySpace, aber in aufgeräumt und langweilig - wer brauchte sowas denn bitte?
Der Song… kam von professionellen Comedians, die sich über die drollige Idee lustig machten, eine kleine Webseite mit Foto und Steckbrief zu pflegen, hihi, auf der »Wand« von anderen Menschen Nachrichten zu hinterlassen, hehe, und ständig seinen »Status« zu ändern. Das Lied war damals schon witzig und ist es heute immer noch, aber aus einem anderen Grund: Es ist ein Dokument der heute total altertümlich wirkenden Skepsis, die man gegenüber sozialen Medien mal hatte.
Was damals noch keiner ahnte: Dass Facebook ein Jahr später MySpace überholen würde. Und neun Jahre später jeder fünfte Erdenbewohner ein Profil haben würde.
4. Der Tamagotchi-Song
Der Trend: Tamagotchis, das waren diese kleinen eierförmigen Billig-Computer, mit denen man Ende der Neunziger eine Art Haustiersimulation durchspielen konnte. Piiiieps, das Tamagotchi hat Hunger. Pööps, das Tamagotchi will Schmusen. Piiiiuuuups, das Tamagotchi hat ein Häufchen gemacht. Kaum zu glauben, aber die Dinger waren mal in Deutschland ausverkauft.
Der Song… ist offenbar das Titellied der zugehörigen Anime-Serie, die im japanischen Fernsehen lief. Und die reine Nervenfolter. Japanische Quietsche-Stimme, synthetischer Ramschbeat und ein haarsträubend sinnloser Text.
Was damals noch keiner ahnte: dass die Ärzte im fernen Jahr 2012 mal einen Song (Tamagotchi) über die Dinger schreiben würden, der vergleichsweise gut ist.
5. Der Magic-Karten-Song
Der Trend: »Magic - The Gathering« war Mitte der Neunziger das erste sogenannte Sammelkartenspiel und ein Riesentrend unter Sci-Fi-Fans, Rollenspielern und unsportlichen Achtklässlern. Es gab angeblich zehntausende verschiedene Karten mit Kreaturen, Artefakten und Zaubersprüchen, die die Spieler in schier endloser Geduld sammelten und tauschten.
Der Song… stammt von einer schwedischen Metalband namens Falconshield. Sie hat sich darauf spezialisiert, Lieder zu Computerspielen zu schreiben - für »Magic - The Gathering« offenbar zum ersten Mal auch für ein Kartenspiel. Es kesselt und röhrt genretypisch power-metallisch, der Text ist ein etwas routiniert geshoutetes Panoptikum aus Kriegern, Schwertern und Fantasiegeschöpfen.
Was damals noch keiner ahnte: Wie lange sich dieses Spiel hält! Der Song ist nämlich, Überraschung, erst etwas über ein Jahr alt, und hat deutlich mehr als 100.000 Klicks. Aber, klar, es gibt ja auch immer noch neue Sammelkarten. Und unsportliche Achtklässler sind ein nachwachsender Rohstoff.
Foto: AFP