Die Geschichte einer guten Freundschaft gleicht einem Märchen. Sie beginnt mit zwei Menschen, die eine besondere Sache verbindet. Ihre Vertrautheit macht sie stark, gemeinsam wagen sie sich auf die Abenteuerreise Leben. Auf ihrem Weg treffen sie vielleicht auf Bösewichte und Stolpersteine, erleben aber manchmal auch magische Momente. Unsere Autoren haben bereits von ihren wichtigsten Freundschaftsmomenten berichtet, im Zuge dessen haben wir auch unsere Leser danach gefragt. Die schönsten Einsendungen können Sie nun hier lesen.
Ich hatte meine Koffer gepackt und war zum Bahnhof gefahren. Ich konnte ihm einfach nicht mehr ins Gesicht sehen. Nicht nach dem, was ich getan hatte. Der Zug Richtung Berlin fuhr gerade ein, als ich laut meinen Namen hörte. Es war Kai, der auf mich zugerannt kam. »Du willst abhauen, Michael? Nur weil du dich in mich verliebt hast? Wir kriegen das schon hin. Ich ignoriere deine Andeutungen einfach.« Verblüfft starrte ich ihn an. Er sagte: »Komm, ich nehme deinen Koffer.« Heute, fünf Jahre später, sind wir immer noch gute Freunde. Das ist manchmal anstrengend, aber für die schönen gemeinsamen Momente lohnt es sich.
Michael E.
Mit 15 rief ich meinen besten Freund um drei Uhr morgens an. Er spürte, dass ich ihn brauchte, und zwar nicht nur am Telefon. Heimlich schlich er sich aus dem Haus seiner strengen Eltern und setzte sich bei Starkregen aufs Fahrrad. Wir lagen stumm nebeneinander in meinem winzigen Bett. Er sah lächerlich aus in meiner rosa Jogginghose, die er gegen seine regennasse Jeans getauscht hatte. In diesem Moment wäre jedes Wort unbedeutend gewesen. Also lagen wir einfach schweigend da und starrten an die Decke. Irgendwann schlief ich ein und er verließ das Haus. Am Morgen erinnerten mich nur eine kleine Pfütze und die Jogginghose daran, dass er überhaupt da gewesen war. In der Schule fehlte er wegen einer Erkältung.
C. R.
Nach dem Abitur zog ich von einem kleinen Dorf in Bayern nach Stuttgart. Meine erste Anschaffung dort war ein Fahrrad mit einem hübschen Korb. Für nur 55 Euro hatte ich es auf Ebay Kleinanzeigen ergattert. Ich war stolz – und so naiv. Niemand klaut gebrauchte Fahrräder, davon war ich überzeugt. Also verzichtete ich auf das Schloss, das ohnehin klemmte. Nach drei Wochen war das Fahrrad weg. Irgendein Idiot hatte es mitgenommen. Niedergeschlagen rief ich Rafael an. Zwei Tage später stand er mit einem anderen Fahrrad vor der Tür. »Hab ich dir geklaut«, sagte er. Das Fahrrad hatte seit Monaten herrenlos an der S-Bahn-Brücke gelehnt. Es war verrostet und hatte keine Bremse, dafür war der Lenker verbogen. Ich fand es wunderschön – welch liebe, kriminelle Geste.
Isabell B.
Vor drei Jahren fuhren Jonas und ich gemeinsam zur Beerdigung eines Freundes. Unentdeckter Herzfehler, mitten im Auslandssemester war er plötzlich gestorben. Die Predigt war schlecht, die Situation unwirklich und ich trotzdem lange recht gefasst. Aber als der Vater mit seinem toten Sohn in der Urne an mir vorbei ging, war ich auf einmal komplett überfordert. Ich stand vor der Kapelle und stammelte, dass das alles nicht wahr sein könne. Jonas kam, nahm mich in den Arm und wir fingen gemeinsam an zu weinen.
Yannick F.
Ich lernte meine beste Freundin über Facebook kennen. Uns trennen fast 400 Kilometer. Sie hatte damals in einer Gruppe geschrieben, dass sie ein Geschenk für ihren kranken Sohn suche. Ich kommentierte »Gute Besserung«. In einer privaten Nachricht antwortete sie, dass ihr Sohn nicht mehr gesund werden würde. Das war unser erstes Gesprächsthema. Wir vertrauten uns schnell und erzählten uns viel, als würden wir uns schon länger kennen. Wegen der Entfernung trafen wir uns erst nach fast drei Jahren. Es war super. Ich hätte nie gedacht, dass auf einer oberflächlichen Plattform wie Facebook eine so tiefe Freundschaft entstehen kann.
Leyla D.
Ich plante meinen 21. Geburtstag mit meiner besten Freundin Lara. Eine Après-Ski-Fete, auf der die Gäste in bunten Anoraks zu Wolfgang Ambros tanzen sollten. Bei der Organisation übertrieben wir: Jede Entscheidung wurde bis aufs Kleinste ausdiskutiert, selbst unsere Eltern stritten. Am Partyabend versöhnten wir uns im Glühwein-Rausch. Ich glaube, dass letztlich nur Lara und ich die Fete richtig gut fanden. So richtig kam keine Stimmung auf, außer bei uns: Wir waren die einzigen, die tanzten. Als Lara später über der Kloschüssel hing und ich ihr mit Schneebrille im Gesicht die Haare hielt, lallte sie: »Auf dich kann man sich halt verlassen.«
Elli A.
Wir waren in der Schulzeit einmal ganz arg in den gleichen Jungen verknallt. Er interessierte sich nur für meine Freundin. Ich war traurig, habe es aber akzeptiert. Sie wollte trotzdem nicht mit ihm zusammen sein. Als ich nachfragte, sagte sie nur: »Du bist mir viel wichtiger. So toll ist er auch wieder nicht.« Das ist jetzt 30 Jahre her.
Yvonne R.
Simone und ich haben uns in den ersten Semestern an der Uni Würzburg kennengelernt. Ich war ungeplant Mutter geworden und in einer unglücklichen Beziehung. In der Examenszeit hat Simone immer wieder auf meine Tochter aufgepasst, damit ich Zeit zum Lernen hatte – obwohl sie selber tierisch im Stress war. Dann kam die Trennung von meinem damaligen Freund, zeitgleich mit dem Ende des letzten Jahrtausends. Alle feierten wie irre Silvester, den 31.12.1999, aber Simone half mir, meine Bude auszuräumen. Kurz vor Mitternacht standen wir auf meinem Noch-Balkon, ließen den Sektkorken knallen und stießen an – auf mein neues Leben und unser Examen. Den Rest der Nacht verbrachten wir zu zweit in der leeren Wohnung, unten vor der Tür stand der Möbellaster. Niemals werde ich das vergessen. Heute sind Simone und ich fast fünfzig und immer noch beste Freundinnen.
C. G.