Wann kommt das Kurzarmhemd wieder?

Und warum ist es überhaupt weg gewesen? Ein Plädoyer für ein unterschätztes Kleidungsstück?

Wie der kommende Sommer wird, weiß niemand. Sicher ist nur: Es wird nicht der Sommer des Kurzarmhemds. Wer bei 35 Grad weder auf T-Shirt noch Polohemd ausweichen will, dem bleibt also wieder nur: krempeln, bis der Bizeps drückt.

In den Kollektionen namhafter Modehäuser wird man das Kurzarmhemd vergeblich suchen. Außer bei Prada, da gibt es welche: weit geschnitten und bunt bedruckt – halb Hawaiihemd, halb Tunika –, also eher was für den Kindergeburtstag auf dem Golfplatz. Der Klassiker in Weiß, Baumwolle, Ärmel knapp bis zum Ellbogen: Fehlanzeige. Was umso rätselhafter ist, als sein Pendant, die Shorts, gerade überall auftaucht, bei Zegna, YSL oder DKNY. Ist ein behaartes Männerbein wirklich so viel gesellschaftsfähiger als ein bloßer, gut trainierter Arm?

Das Kurzarmhemd scheint aus der Mode gefallen – zu finden nur noch auf den Wühltischen der HaKa-Abteilungen; eingeschweißt in Klarsichtfolie, mit gesichtslosem Schnitt und dem zweifelhaften Siegel »bügelfrei«.

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Dabei gibt es kaum ein Kleidungsstück, das so viele Vorteile vereint: Es ist bequem, luftig, passt zu allem und vermittelt trotzdem eine gewisse Angezogenheit, die dem T-Shirt zum Beispiel fehlt. Man muss sich nur mal Bilder herbeigoogeln vom NASA-Kontrollraum aus den Sechzigerjahren, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie lässig, wie gut Männer in weißen Kurzarmhemden (und sogar Krawatte) aussehen können. Und das liegt nicht nur daran, dass sie alle Kette rauchten. Wer Michael Douglas in Falling Down vor Augen hat, weiß: Sein Problem ist der Kopf, nicht sein Kurzarmhemd, in dem er klasse aussieht. Hätte er das nicht an, wären ihm vermutlich sehr viel früher im Film die Sicherungen durchgebrannt.

Andererseits: In einem Kurzarmhemd gut auszusehen ist eine Wanderung auf einem Grat, so schmal wie eine gut gebügelte Bundfalte. Ganz schnell wirkt man darin wie ein Schuljunge, der noch von Mama angezogen wird.

Es gibt eben doch ein paar Kleinigkeiten, die einem alles ruinieren können. Ein zu weites Hemd, zum Beispiel, bei dünnen Armen, dessen Ärmel wie Flügel wegstehen. Oder ein zu enges, das spannt wie die Hemden von Jogi Löw, der zwar Langarm bevorzugt, am liebsten aber so weit hochkrempelt, dass man Angst um seine Durchblutung hat.

Ganz weit weg von diesen spitzfindigen Detailfragen ist der New Yorker Stardesigner Thom Browne, berühmt für seine Hochwasserhosen und betont knapp geschnittenen Anzüge. Er führt diesen Frühling das Sakko ganz ohne Ärmel ein, ein Muscle-Shirt für die Wall Street sozusagen. Dann doch lieber krempeln.

Illustration: Aurore de la Moriniere c/o Renate Gallois Montbrun