Seit Jahren empören sich die Mitglieder der CDU darüber, dass ihre Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Kurs die Partei sozialdemokratisiert – und seit Jahren lache ich darüber. Denn ich bin im Herzen Sozialdemokrat, und die CDU hat auf mich eine Anziehungskraft wie ein Hühnerei auf die Sonne: gar keine.
Ich bin nicht immer zufrieden mit der SPD. Ich bin, genau genommen, sogar sehr, sehr oft unzufrieden mit der SPD. Aber ich würde im Leben nicht die CDU wählen – dachte ich. Denn dann kam die Flüchtlingskrise, und mit ihr eine Angela Merkel, die ich nicht kannte: Die letzte Verteidigungslinie von zumindest einem Hauch der Menschlichkeit, die ich mir für Europa vorstelle, und mit einer beeindruckenden Zähigkeit selbst gegen die Mehrheit in ihrer eigenen Partei.
Ich bin beeindruckt. Und in einem Dilemma: Denn trotz der schrecklichen Attentate in Würzburg und Ansbach durch durchgeknallte Einzeltäter halte ich Merkels Flüchtlingspolitik weiterhin für richtig. Denn sie hat nicht, wie die AfD behauptet, »die Grenzen geöffnet«, sondern einfach nur das Grundgesetz beim Wort genommen – und Menschen, deren Leben bedroht ist, Asyl gewährt.
Ein schlechtes Ergebnis für sie bei der nächsten Wahl wäre für ihre innerparteilichen Widersacher (oder wie ich sie nenne: die CDU) ein genehmer Anlass, ihre Flüchtlingspolitik abzuschießen. Sie braucht viele Stimmen, und das heißt eigentlich, sie braucht meine Stimme. Aber wie wie kann man eine Spitzenkandidatin wählen, ohne dass alle anderen in der Partei den Erfolg auch für sich verbuchen?
Ich will nicht Wolfgang Schäuble wählen. Ich will nicht Wolfgang Bosbach wählen, nicht Volker Kauder und erst recht nicht Erika Steinbach. Und es sträubt sich alles in mir, ein Kreuz bei einer Partei zu machen, deren Programm ich in praktisch allen Punkten mindestens sanft widerspreche, in vielen auch sehr bestimmt. Aber ich will auch nicht, dass Menschen in Schiffen auf dem Mittelmeer versinken, nur weil ich mir zu fein bin taktisch abzustimmen.
Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma?
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