Weggefährte

Der Historiker Dietmar Herz reiste für das SZ-Magazin bereits zum dritten Mal in ein Krisengebiet. Hier spricht er über seine Erfahrungen.

Unser Autor Dietmar Herz war in diesem Frühjahr nicht zum ersten Mal für das SZ-Magazin unterwegs: 2007 reiste er durch den Irak, ein Jahr später besuchte er die deutschen Truppen in Afghanistan. Hier spricht der Autor über seine Erfahrungen in den verschiedenen Krisengebieten.

SZ-Magazin: Sie waren vor einem Jahr im Norden Afghanistans bei den deutschen Truppen und nun im Südosten des Landes, der von den Taliban beherrscht wird. Kann man die beiden Regionen irgendwie vergleichen?
Dietmar Herz: Nein, die Situation im Norden des Landes, wo die Bundeswehr ihre Standorte hat, ist vergleichsweise friedlich. Der Süden und Südosten sind die eigentlichen Kriegszonen. Erst vor wenigen Tagen wurden auf der Straße von Kabul in den Südosten des Landes 16 Afghanen entführt, allesamt Mitarbeiter der UNO. Das war dieselbe Straße, auf der meine Dolmetscherin und ich wenige Wochen zuvor unterwegs waren. Mit etwas Pech hätte Ihnen etwas Ähnliches widerfahren können.
Herz: Durchaus. Andererseits sind wir mit einer guten Tarnung gereist: Meine Dolmetscherin stammt ohnehin aus Kabul und war verschleiert. Ich trug die traditionelle afghanische Kluft – unsere Reise war also ein kalkuliertes Risiko. Die entführten Afghanen waren dagegen eindeutig als Mitarbeiter der UNO zu erkennen. Und Mitarbeiter der UNO sind in dieser Region nun einmal ein beliebtes Faustpfand für kriminelle Banden.

Manche Beobachter fürchten, dass die Lage im Norden ähnlich eskalieren könnte wie im Süden. Teilen Sie diese Furcht?
Herz: Die Wiederaufbauteams im Norden, an denen auch die Deutschen beteiligt sind, stellen natürlich ein Angriffsziel für die Aufständischen dar. Die Taliban wissen sehr wohl, dass sie mit Anschlägen auf Soldaten der Bundeswehr die Stimmung in Deutschland beeinflussen können, was den Afghanistan-Einsatz betrifft. Es gibt noch ein zweites Ziel, das die Aufständischen verfolgen: die Präsidentschaftswahlen im August. Je weniger Afghanen an den Wahlen aufgrund der Kriegswirren teilnehmen können, umso weniger wird die Wahl von der Bevölkerung anerkannt werden. Es spricht einiges dafür, dass sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan bis zu den Wahlen weiter verschlechtern wird.

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Sehen Sie nach acht Jahren Krieg überhaupt noch eine Chance auf Frieden?
Herz: Die westlichen Truppen müssen wieder dazu übergehen in erster Linie die Zivilbevölkerung zu schützen. Bisher war es so: Die Taliban benutzten Zivilisten als Schutzschild, die Amerikaner warfen trotzdem Bomben. So traf man vielleicht einige Extremisten, nahm aber auch tote Zivilisten in Kauf und verspielte so jedes Vertrauen bei der Bevölkerung. Die Amerikaner sind ja gerade dabei, ihre Strategie zu ändern. Aber dieser Kurswechsel wird nur erfolgreich sein, wenn mehr Soldaten nach Afghanistan entsandt und mehr Polizisten ausgebildet werden. Selbst dann wird der Westen nicht Monate, sondern Jahre brauchen, um das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung zurückzugewinnen.