Jedermann

Seit Jahren glänzt der Schauspieler Devid Striesow in immer neuen Rollen. Auf der Straße erkennen ihn trotzdem nur wenige. Das muss sich ändern!

Für fast alle männlichen deutschen Schauspieler gibt es irgendein Bild, eine Assoziation in unserem Kopf: Bei Jürgen Vogel sind es schiefe Zähne, bei Moritz Bleibtreu dicke Lippen, bei Daniel Brühl zusammengewachsene Augenbrauen, unter denen er immer etwas wehmütig von unten nach oben schaut.

Dann liest man in der Zeitung, dass ein Mann namens Devid Striesow »das Gesicht des deutschen Films auf der Berlinale 2007« gewesen sein soll, weil er, genau wie Cate Blanchett, gleich in zwei Filmen eine tragende Rolle gespielt hat – und denkt erst mal: an gar nichts. Höchstens dass er mit dem Namen sicher aus dem Osten kommt: Striesow, Devid, 33 Jahre alt; sagt einem nichts. Dieses Gesicht, diese kobaltblauen Augen hat man schon mal gesehen, aber wo? Film? Theater? Fernsehen? Man kommt nicht drauf. In einer Serie vielleicht? Das deutsche Gesicht der Berlinale 2007 war sehr präsent auf der Leinwand, ansonsten war es ziemlich unsichtbar. »Die Eröffnungsveranstaltung habe ich sausen lassen, am Tag der Abschlussparty war ich mit meinem Sohn im Disneyland in Paris«, sagt Striesow. Ein einstündiges Live-Gespräch mit den Star-Regisseuren Wenders und Schlöndorff hat er abgelehnt. »Ich glaube nicht, dass sich meine Auftragslage durch solche Sachen verbessert«, sagt er. »Werbung für meine Filme mache ich gern, aber ständig in der Menge zu baden, finde ich hohl.« Und weil er als Mensch gerade nicht greifbar sein will, kommt es, dass die meisten Menschen diesen Striesow gar nicht richtig kennen, während die Kritiker in ihm »den besten deutschen Schauspieler seiner Generation« sehen, einen »Präzisionshandwerker, der mit minimalem Spiel ein Maximum ausdrücken kann«.

Das alles könnte sich in diesem Jahr ändern. Die beiden Berlinale-Filme kommen in die Kinos. Der erste, das erfreulich klischeelose KZ-Drama Die Fälscher, läuft bereits, im Herbst folgt dann Yella. In beiden Filmen brilliert Striesow mit facettenreichen, starken Charakteren, obwohl er jeweils die zweite, nicht die ganz große Hauptrolle spielt: In Die Fälscher den SS-Mann Herzog, einen Wendehals, der seine Juden zu »Mitarbeitern« macht, die er privilegiert, wenn sie ihm nützen, und erschießt, wenn sie nicht parieren. Einen Mann, der für keine Idee, noch nicht einmal für eine böse, einstehen kann, nur für seinen Vorteil. In Yella, an der Seite von Nina Hoss, einen Risikokapitalisten, eine Heuschrecke, kühl, professionell, zu Hause auf Autobahnen und in Konferenzräumen, immer unterwegs, nur nie bei sich selbst.

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Ein bisschen kennt Striesow das. Im letzten Jahr hat er zwölf Filme gedreht, manchmal zwei parallel, einen tagsüber, einen nachts. Er war nur unterwegs, süchtig nach Leistung und zu wenig Schlaf. Dazu kommt, dass er auch Theater spielt, und da auch die großen Rollen: den Hamlet oder den Marquis Posa von Schiller. Obwohl ihm an der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin mit auf den Weg gegeben wurde, dass er es wohl nie zum Hamlet bringen werde, dass er eher für die Bauernrollen geeignet sei.

Wenn er einem so gegenübersitzt, im »Hilton« in Dresden, wo er gerade im ehemaligen Stasi-Gefängnis den Fernsehfilm Zwölf heißt: »Ich liebe dich« dreht, kann man das nachvollziehen. Er sieht ein bisschen aus wie ein Zimmermann auf der Walz mit seinem leicht geröteten Gesicht, der Schiebermütze, der weiten Jeans, die er an den Knöcheln hochgekrempelt hat. Früher, in der DDR – Striesow ist in Rostock aufgewachsen –, hatte er eine Lehre als Goldschmied begonnen. Erst die Wende hat ihn zum Schauspieler gemacht. Bei der Ernst-Busch-Schule hat er sich beworben, ohne jemals vorher auf einer Bühne gestanden zu sein. Sein Lieblingslehrer an der Schauspielschule war gelernter Schlosser. Sein Vater, sein Bruder sind beide Handwerker.

Er mag das Bodenständige, spricht schnell, mit norddeutschem Küstendialekt, wie einer, der irgendwo in Mecklenburg an der Tanke arbeitet. Trotzdem ist er nicht frei von Eitelkeit: »Es gibt keinen uneitlen Schauspieler«, sagt er. Man merkt es, wenn er sich am Set des Stasifilms, eine Sekunde bevor die Kamera läuft, mit Zeige- und Mittelfinger ein Hitlerbärtchen verpasst, »Huch, falscher Film!« schreit und sich freut, dass die anderen lachen.

Striesow, der für seine Rolle in Die Fälscher für den Deutschen Filmpreis nominiert ist, hat im Jahr 2004 beim Berliner Theatertreffen den Darstellerpreis bekommen. Die Laudatio hielt damals Ulrich Mühe, der Oberspitzel aus Das Leben der Anderen. Gesagt hat er Folgendes: »Striesow kann zart wie die frühe Liebe sein, grob wie die Axt im Walde, bitter und böse, verletzt und enttäuscht, verzweifelt und sogar von sich selbst verlassen.«