»Diese Nachricht wird Millionen deutscher Fußballfans richtig wütend machen«, prophezeite die Bild-Zeitung schon Mitte Mai, als sich andeutete, dass das ZDF die Übertragungsrechte für die Champions League verlieren wird. Immerhin gleich für vier Jahre von 2018 bis 2022. Doch nichts passierte. Als letzte Woche dann endgültig feststand, dass die Champions League künftig nur mehr etwas für Fans mit Pay-TV-Abo ist, blieben die großen Proteste ebenso aus. Zwei, drei Kommentare in Zeitungen, fertig. Was ist da los?
Die Uefa weiß vermutlich, dass der Juni 2017 ein guter Monat ist für schlechte Meldungen zum Thema Fußball: Bundesliga vorbei, keine WM oder EM, nur ein Confederations Cup, der gegen 30 Grad und Freibäder keine Chance hat.
Aber wäre es nicht mal Zeit für eine Revolution? Für einen Fan-Aufstand gegen die Uefa? Es gab ja Aufruhr in den Bundesligastadien gegen die Ausdehnung des Bundesligaspieltags von Freitag bis Sonntag. Protestmärsche, schweigende Kurven, geht doch. (Gut, gebracht hat es wenig, aber als Symbol war es wichtig.) Doch jetzt? Stille. Die Champions League ist einer der letzten Straßenfeger des Fernsehens, spätestens ab der K.O.-Runde sitzen zuverlässig acht Millionen plus auf dem Sofa.
Was machen die bloß alle im Frühjahr 2019? Alle in die nächste Eckkneipe mit Sky quetschen? Alle brav Pay-Abos bestellen? Gut, dann aber bitte nicht mehr beschweren, dann ist eh zu spät. Jetzt könnte man noch vor die Hauptquartiere der Uefa und Fifa in der Schweiz ziehen. Das wäre doch mal ein Auswärtsspiel, das sich lohnen würde: Mal vereinsübergreifend mit 100 000 Fans Nyon (Uefa) und Zürich (Fifa) vollstopfen und ein paar lustige Fangesänge einstudieren. Bis die Funktionäre entnervt aufgeben. Bis sie sagen: »Es tut uns leid, wir vergeben die Fußballübertragungsrechte weltweit wieder an die frei empfangbaren Fernsehsender, auch wenn wir damit weniger Geld verdienen. Wir hören auf, diesem traditionsreichen Sport mit unserer Habgier seine Seele zu rauben, wir lassen mal jemand anderen als Cristiano Ronaldo Weltfußballer werden und im Stadion darf jeder wieder das Getränk seiner Wahl trinken, statt wässrigem Hauptsponsoren-Gesöff.«
Wenn die Wut der Fans die Funktionäre aus ihren Elfenbeintürmen vertrieben hätte, wenn die Geldspirale gestoppt wäre, könnte man gleich noch die Allianz-, SAP- und Veltins-Arenen dieser Welt umbenennen in gute alte Namen wie »Glück-Auf-Arena« oder »Betzenberg«. Fußballschuhe müssten wieder schwarz sein und den Spielern könnte man ein dreijähriges Verbot für Haarsträhnchen, Sportwagen mit mehr als 300 PS und neue Tattoos auferlegen. »Geht's raus und spuilts Fußball«, um es mit Franz Beckenbauer zu sagen. Wir schauen euch dann im ZDF dabei zu. Und zwar präsentiert von niemandem, ohne Bier- oder Baumarkt-Werbung, nur unterbrochen vom Heute-Journal, wo Marietta Slomka die einzige exzentrische Frisur des Abends präsentiert.
Das wäre schön. So wird es aber nicht laufen. Stattdessen werden sich viele Fußballfans jetzt ein Sky- oder Dazn-Abo kaufen müssen, um die Sender sehen zu können, die das ZDF überboten haben. Die Vereine werden noch mehr TV-Gelder bekommen, werden damit noch fantastischere Summen für durchschnittliche Spieler ausgeben, die Spieler werden noch höhere Gehälter fordern, die ihnen noch mehr zu Kopf steigen werden.
Man sträubt sich dagegen, ausgerechnet das ZDF als das Gute im Sport darzustellen (die ausufernde Olympia- und WM-Übertragung der Öffentlich-Rechtlichen kann mit dem Irrsinn einer Sky-Spieltagsvorberichterstattung nämlich locker mithalten) aber mit dem Verlust der Übertragungsrechte ist eine Schmerzgrenze erreicht. Vorausgesetzt natürlich, man findet, dass Sport ein frei zugängliches Gut ist, eine Art Grundrecht des Bürgers.
Man könnte ja auch sagen: Das ZDF soll die paar hundert Millionen Euro, die es jetzt spart, in guten Journalismus investieren, in mehr Korrespondenten, mehr Recherche, mehr Erfüllung des Bildungsauftrags mit tollen neuen Formaten. Oder nehmt das Geld und kauft dem Traumschiff endlich mal gute Drehbuchschreiber, einen von »Game Of Thrones« am besten. Doch der Fußball hat seine Berechtigung, er ist das letzte Lagerfeuer der Nation, vor dem sich ein ganzes Land versammeln kann, der kleinste gemeinsame Small-Talk-Nenner, den es im Alltag eben manchmal braucht.
Man könnte jetzt sagen: Vergesst den Fußball, lässt uns alle Handballfans werden. Die Deutschen sind amtierender Europameister und die Spieler wie »Torwarthexer« (Bild-Zeitung) Andreas Wolff sind angenehm unaufgeregt. Oder alle gehen zum Synchronschwimmen, Dreisprung, Basketbal, Tischtennis. Der Fußball ist nur eben so etwas wie das Englisch unter den Sportarten: leicht zu lernen und weltweit verbreitet. Mehr als einen Ball braucht man nicht.
Es würde sich lohnen, um ihn zu kämpfen. Das geht ja auch ohne Rauchschwaden, es reicht schon ein Boykott, oder etwas weniger Interesse. Wenn die Einschaltquoten nicht mehr stimmen, wenn die großen Sponsoren nervös werden, weil die Breite Masse nicht mehr vor dem Fernseher sitzt, wenn vielleicht auch gleich noch der Aufschrei größer wird gegen Weltmeisterschaften in autoritären Staaten und gegen Korruptionsskandale - dann könnte der Fußball wieder das werden, was er mal war: ein schönes Spiel.
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