Jedes Jahr denkt man, die Wespen seien dieses Jahr besonders lästig, dabei sind sie nur so lästig wie immer. Unserem Getränkelieferanten waren die Insekten im Fahrerraum so zuwider, dass er am Rückspiegel eines dieser spiralförmigen Klebebänder aufhängte, über dem Beifahrersitz noch eines.
Dann beugte er sich zum Handschuhfach, blieb mit den Haaren in beiden Klebebändern hängen, versuchte sie mit den Händen zu entfernen, verfing sich noch mehr im äußerst haftbaren Klebstoff und stieg schließlich aus seinem Lieferwagengehäuse – ein Münchner Sommer-Laokoon, mit Klebebändern ringend wie mit Schlangen, wobei ihn dann eine Wespe stach, die ebenfalls an der Klebe hing: der letzte Stich einer sterbenden Wespe für unseren Getränkemann, eine Wespe, die ihn, frei fliegend, womöglich nicht gestochen hätte. Wäre das nicht übrigens eine schöne Bronzefigur, am Nockherberg, im Biergarten? Paola und ich gingen spazieren, da stach mich eine Wespe in den Arm, jedenfalls glaube ich, dass es eine Wespe war, vielleicht war es auch eine Biene, und weil ich eine Bienenallergie habe, begann Paola sofort an der Stichstelle zu lutschen und zu saugen, eine möglicherweise lebensrettende Maßnahme für mich, doch auch ein seltsames Bild: Mitten im Englischen Garten lutscht eine Frau am Oberarm eines Mannes. Auch dies sollte man in Bronze gießen oder in Marmor hauen und als Springbrunnenfigur aufstellen, ein Denkmal der Liebe und des Sommers.
Am Mount Victoria auf den Philippinen hat man eine Fleisch (also auch Wespen) fressende Pflanze entdeckt, die zu den größten ihrer Art zählt. Sie verfügt über Trichter, die zwei Liter Flüssigkeit fassen. Fällt ein Tier, vom Nektar angelockt, in diese Trichter, ist es verloren: Es kommt nicht mehr heraus, und die Pflanze beginnt soforrrrt mit der Verdauung des lebenden Körpers, entsetzlich, aber wahr. Im Internet kann man das Foto einer Ratte sehen, deren Kopf noch aus einem dieser Pflanzentrichter herausschaut, ein kleines, süßes, ratloses, um Hilfe flehendes Rattengesicht, so niedlich, dass man mit der nächsten Maschine auf die Philippinen fliegen möchte, um dieses Tier zu retten.
Übrigens ist die Pflanze Nepenthes attenboroughii getauft worden, nach dem britischen Tierfilmer Sir David Attenborough, dem Bruder des Regisseurs Sir Richard Attenborough. Sir David sagte, er fühle sich geehrt, er bewundere diese Pflanzen und habe ähnliche Arten im Film porträtiert. Bei der Gelegenheit habe ich herausgefunden, dass zahlreiche neu entdeckte Tierarten nach berühmten Persönlichkeiten benannt sind.
Es gibt die Meeresschnecke Bufonaria borisbeckeri, den – ausgestorbenen – Dinosaurier Masiakasaurus knopfleri (nach Mark Knopfler, dem
Musiker) und drei Schwammkugelkäfer Agathidium bushi, Agathidium cheneyi und Agathidium rumsfeldi, die nach amerikanischen Politikern benannt wurden. Schwammkugelkäfer leben in verrottendem Baumholz und fressen Schleimpilze. Tierarten, die Namen deutscher Politiker hätten, sind mir nicht geläufig. Könnte man sich eine Hunderasse namens Steinmeier vorstellen, gutmütig-melancholische Hütehunde, die auf der Suche nach unauffindbaren Stöckchen das ganze weite Land absuchen?
Es gibt jedoch im Körper des Menschen sogenannte Merkel-Zellen, benannt allerdings nach dem vor neunzig Jahren verstorbenen Mediziner Friedrich Merkel. Sie befinden sich in der Oberhaut, als sogenannte Druckrezeptoren, das heißt, so vermute ich laienhaft, sie melden dem Gehirn, wenn jemand unsere Haut drückt.
Seltsam: dass wir alle Merkel-Zellen in unseren Körpern haben, auch Frank-Walter Steinmeier. Ist es nicht geradezu subversiv, dass, zum Beispiel, wenn Franz Müntefering den Frank-Walter in der Wahlnacht nach einer Niederlage in den Arm nimmt und fest drückt, dass dann also Merkel-Zellen in der Frank-Walter’schen Oberhaut aktiviert werden, diesen Druck empfangen? Ihn weitergeben?
Welche noch zu entdeckende Tier- oder Pflanzenart sollte man nach Axel Hacke benennen? Eine neue Lachmöwenart? Einen Haarigen Tintling? Vorschläge bitte an dasbeste@sz-magazin.de
Illustration: Dirk Schmidt