Im Grunde, denke ich, kann der Mensch mit seiner Art, sich fortzupflanzen, zufrieden sein. Bedenken wir nur, dass just in diesen Tagen der Europäische Aal, Fisch des Jahres 2009, sich von unseren Teichen, Seen und Flüssen aufmacht in die Sargassosee, wo er erst 2010 (dann noch nicht einmal mehr als Fisch des Jahres) ankommt und seine Eier ablegt, die in der offenen See befruchtet werden, worauf Aal und Aalin sterben – danke, lieber Gott, dass du mich keinen Aal hast werden lassen! Und dass du aber doch auch den Aal schufst, dessen Wanderung um die halbe Welt zu den größten Wundern der Welt gehört (wenn auch die Klagen aus Aalkreisen über die eingeschränkte Freude am Sexleben allmählich unüberhörbar werden).
Man stelle sich vor, wir alle müssten uns zu Sexzwecken stets an einen bestimmten Ort begeben, etwa, sagen wir, nach Berlin, wo wir, nach einer
riesigen Love-Parade und vielleicht einer Ansprache der Bundeskanzlerin, in Berliner Hotelbetten sänken, um es den Aalen gleichzutun … ach, nein. Nein. Übrigens hat die kleine Sophie jetzt einen Hasen, Paula heißt er, und er ist, wie ich die Sache sehe, der hübscheste kleine Hase der Welt, mit beige-braunem Fell und einer Hasennase – entzückend. Dieser Hase fremdelte anfangs ein bisschen, dann entschloss er sich, uns nett zu finden, sich zusammen mit Sophie aus Büchern vorlesen zu lassen und im Puppenkinderwagen herumgefahren zu werden. Was bleibt ihm auch anderes übrig?
Dieser Hase steht am Ende eines langen Diskussionsprozesses in der Familie, in dem es um Ratten, Hunde und Schildkröten ging und in dem sogar einmal ein Aquarium erwogen wurde. Aber ich war gegen das Aquarium. Fische gäben einem nicht zurück, was einem ein Hase zurückgeben könne, argumentierte ich, immer nur dieses Geglotze aus dem Wasser heraus, da sei doch eine letztlich nicht zu überwindende Fremdheit, mit der ich nicht leben könne.
Sein Sohn habe ein Aquarium, erzählte mir Bruno in jenen Tagen. Aber er finde es deprimierend, das Aquarium, zu sehr erinnerten ihn die Fische ans Büro und die Kollegen: hier wie dort so gleichgültige Kreaturen, die nur einmal am Tag zur Fütterung an die Oberfläche kämen.
In Amerika ist vor Kurzem ein neues Buch über Seepferdchen erschienen, The Story of Seahorses, von Helen Scales. Darin heißt es, Seepferdchen seien die einzigen Fische, die eine Beziehung zu ihrem Besitzer und so etwas wie eine eigene Persönlichkeit entwickelten: Manche seien schüchtern, andere dem Menschen zugetan, weitere wieder so gut erzogen, dass sie mit dem Fressen warteten, bis auch ihre Seepferdchen-Freunde im Wasser zu Tisch schwömmen. Das Bemerkenswerteste aber sei: Bei keiner anderen Tierart werde der Mann schwanger und gebäre die Kinder.
Wenn Seepferdchen Sex haben, geht dem zunächst ein stunden-, ja, bisweilen tagelanger gemeinsamer Tanz im Wasser voraus, sie reiben ihre Nasen aneinander, wickeln ihre Schwänze umeinander, umrunden sich, ja, sie erröten in Orange und Pink, und wenn sie sich vereinigen, formen sie mit ihren Schnauzen und Körpern gegeneinander ein Herz, bitte, ich … Schneuz! Man stelle sich vor, ein Aal-Paar käme auf dem Weg zur Sargassosee an zwei sich liebenden Seepferdchen vorbei! Das wäre doch kaum auszuhalten, da möchte man sich gleich in Aspik legen, so sinnlos erschiene alles.
Tja, und am Ende pumpt eben das Weibchen dem Männchen seine Eier in den Leib und dieses trägt sie aus. Im Internet habe ich einen Film aus dem Amsterdamer Zoo gefunden, von einer Seepferdchen-Geburt: Hunderte winzige Seepferdchen entströmen dem Körper eines angestrengt pumpenden Seehengstchens, unfassbar, ich bin immer noch ganz verwirrt und doch auch froh, dass ich kein Seepferd bin, sondern einfach ein Mann, ein menschlicher Mann, ein sehr froher Mann.
Den Film mit der Seepferdchen-Geburt hat Axel Hacke, wie sollte es anders sein, auf Youtube gefunden. Dort kann man die zarten Kreaturen auch bei ihrem Paarungstanz beobachten - und beim Verspeisen vorbeitreibender Krabben.
Dirk Schmidt (Illustration)