Zum ersten Mal habe ich etwas von Hiroshi Ishiguro gehört, der Professor an der Universität Osaka ist. Hiroshi Ishiguro ist der führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Entwicklung menschenähnlicher Roboter, was man zum Beispiel daran sieht, dass es einen Roboter gibt, der genau wie Professor Hiroshi Ishiguro aussieht, immer den gleichen Anzug trägt, bei einem Interview neben ihm sitzt und seinen Erfinder sogar im Gespräch unterbricht, wobei allerdings in diesem Fall noch die Stimme eines Operators aus dem Kontrollzentrum ertönt; doch sind die Mundbewegungen schon originalgetreu.
Professor Hiroshi Ishiguro und seine Mitarbeiter haben bereits eine ganze Familie von Robotern geschaffen, darunter ein Riesenkind namens CB2, ein grauhäutiges Wesen, das auf manchen Bildern eine Art Soldatenmütze auf dem Kopf trägt und als Baby-Roboter hat, aber, weil es imstande ist zu lernen und zu entwickeln, inzwischen schon fast allein durch den Raum gehen kann. Solche Roboter gibt es auch anderswo, zum Beispiel an der University of California in San Diego, wo ein Maschinenmensch namens Diego-san, nun ja, äh, lebt, der einen Meter dreißig groß ist und einen Kopf groß wie ein Wasserball hat, weil darin Gerätschaften wie Kameras und Lautsprecher stecken. Wiederum in Japan ist gerade das Robobaby Yotaro vorgestellt worden. Es liegt im Bett, strampelt, verzieht das Gesicht und macht das Näschen kraus, man fasst es nicht.
Sein Erfinder sagt, dieses Ding solle jungen Japanern ermöglichen, »Unschuld und süße Mimiken mitzuerleben« und sie so anregen, sich selbst fortzupflanzen. Denn Japan ist eines der Länder mit der geringsten Geburtenrate der Welt – wen wundert’s, wenn führende Japaner wie Professor Hiroshi Ishiguro intensiv damit beschäftigt sind, sich selbst
als Maschine neu zu erschaffen, statt mit Japanerinnen auf die Futons zu sinken und dort nach alter Väter Sitte zu verfahren, während draußen vor den Fenstern die Kirschen blühen und die Bienchen summen.
Nun eine Information aus Carlisle in Nordengland.
Im dortigen Arbeitsamt hat man während eines landesweiten zweitägigen Streiks die wenigen nicht streikenden Mitarbeiter aufgefordert, auf eingehende Anrufe nicht in der bei nordenglischen Arbeitsämtern üblichen persönlich-liebevollen Dialogform einzugehen, sondern sich wie ein Anrufbeant-worter zu verhalten: Spruch aufsagen, Hörer auflegen. (Angeblich ist der Grundgedanke zu diesem Vorgehen bei der Deutschen Telekom entwickelt worden, nur dass dort nie der Hörer aufgelegt wird, sondern Musik gespielt wird.)
Das Interessante daran ist, wie wir es hier mit zwei ganz und gar gegenläufigen Entwicklungen zu tun haben. Einerseits versucht man, Maschinen zu schaffen, die sich wie Menschen verhalten, ja, wie Menschen sein können. Andererseits wird der Mensch zur Maschine rückentwickelt und auf ein Verhalten reduziert, das jedem fortgeschrittenen Roboter zu blöd wäre. Wo wird das enden?
Wird eines Tages Professor Hiroshi Ishiguro die Welt regieren, weil aus seinen Werkstätten Millionen superintelligenter, identischer professorhiroshiishigurohafter Wesen herausmarschieren, während wir herabgezüchteten Menschen nur noch vor uns hin stammeln, wir seien gerade nicht da und riefen später zurück?
Nun, im Frühjahr, zu Ostern möchte ich ein letztes Mal an den vergangenen Winter und das Tief Daisy erinnern. Leserin U. schickte mir damals in meiner Eigenschaft als Leiter des Wortstoffhofes ein schönes Foto von der Internetseite sueddeutsche.de, samt dazugehöriger Bildzeile. Man sah auf einem zugefrorenen See einen Fischer stehen, der an einem Netz herumnestelte, darunter die Sätze: »In ganz Deutschland ist der strenge Winter zu spüren. In Brandenburg sind die Fischer zur Unfähigkeit verdammt.«
Ein seltsamer Text, nicht wahr? Wie viele Menschen kenne ich in Deutschland, die sommers wie winters zur Unfähigkeit verdammt sind! Dass man ausgerechnet die brandenburgischen Fischer da so hervorhebt...
Dirk Schmidt (Illustration)