Bitte, ich werde nicht Putin mit Hitler vergleichen, aber in Newsweek stand jetzt ein längerer Artikel über Wladimir Putins Lebensgewohnheiten, und dabei fiel mir auf, dass der Mann erst gegen elf Uhr aufsteht; das ist etwa die Uhrzeit gewesen, zu der auch Hitler sich erhob. Der Diktator (also Hitler jetzt) war ja ein berüchtigter Langschläfer, niemand in seiner Umgebung traute sich, ihn zu wecken, selbst wenn dringend militärische Entscheidungen benötigt wurden. Aber wenn einer erst gegen fünf Uhr morgens ins Bett geht, weil er bis dahin bei nächtlichen Teestunden irgendwelche Stenotypistinnen bis an den Rand des multiplen Organversagens gequatscht hat (sämtliche Generäle waren ja schon ohnmächtig) – dann kommt der halt erst mittags aus den Federn.
Täusche ich mich, oder hat diese Langschläferei etwas Pubertäres, Unreifes? Im Alter zwischen elf und 16 Jahren beginnt ja beim Menschen eine Phase, in der er abends nicht ins Bett findet und morgens nicht hinaus, fünf, sechs Jahre später ist diese Zeit zu Ende, das nennt man Erwachsenwerden. Kann es sein, dass manche Leute diesen Punkt verpassen und den Rest des Lebens in einer Art Dauerpubertät verbringen? Es fällt auf, dass Teile der Welt mit Putin wie mit einer Art von schwererziehbarem Jugendlichen umgehen möchten; der frühere brandenburgische Ministerpräsident Platzeck hat neulich gesagt, man solle Putin nicht in die Enge treiben, er dürfe »nicht in einer Falle sitzen, sonst randaliert er«. Das ist ja der Ton, in dem besorgte Eltern nachts über Söhne reden, mit denen sie unerklärliche Schwierigkeiten haben.
Jedenfalls kann es anscheinend passieren, dass einer, bei dem dieser Pubertäts-Schlaf-Schalter nie umgelegt wurde, sich später dauernd in seltsamen Macker-Posen fotografieren lässt, Tiger streichelt, übermäßig viel Motorrad fährt und beim Tauchen im Asowschen Meer Amphoren findet, die seine Mitarbeiter dort hingelegt haben. Von Waffenlieferungen an prorussische Separatisten, die damit unschuldige Flugreisende ermorden, gar nicht zu reden.
Ich habe mich mal über den Tagesablauf großer Politiker informiert. Es gibt da diese entspannten Typen wie Calvin Coolidge, US-Präsident von 1923 bis 1929, der sich jeden Nachmittag zwei Stunden ins Bett legte und beim Aufwachen fragte: »Ist das Land noch da?« Und andererseits die Disziplinierten wie Kaiser Franz Joseph, der morgens um halb vier (eine Zeit, zu der Putin sich wohl allmählich hinlegt) von seinem Leibkammerdiener mit den Worten »Leg mich zu Füßen Eurer Majestät, guten Morgen« geweckt wurde und dann noch vor dem Frühstück (um fünf) die ersten Akten von links nach rechts bewegte.
Den absolut coolsten Tag hatte Winston Churchill: halb acht Frühstück, Zeitungslektüre, Verfassen von Briefen, Büchern und Reden, alles noch im Bett, um elf Aufstehen, Spaziergang im Park, der erste Whisky, dann zum Lunch um eins: Köpfen der ersten Champagnerflasche. Nach dem Essen Portwein, Brandy, Zigarren, Spielen mit den Kindern, Überwachen von Gartenarbeiten, wieder ein leichter Whisky, Champagner zum Dinner, nachts dann zwei Stunden Diktat bis nach Mitternacht. No sports!
Der Mann hat Großbritannien vor den Nazis gerettet und dann den Literatur-Nobelpreis gewonnen; man weiß nicht so recht, wann eigentlich, aber er hat es getan.
Hitlers Frühstück bestand aus warmer Milch, Knäckebrot und einem Apfel, ab 1944 aus Müsli mit geriebenem Apfel. Putin (wirklich: Ich hasse diese Vergleiche und dies ist auch keiner!) nimmt Hüttenkäse und einen Smoothie, auch Kaffee. Dann schwimmt er zwei Stunden, was ich super finde, Hitler war ja Nichtschwimmer, glaube ich. Danach stehen irgendwann die Leute mit den dicken Mappen von den Geheimdiensten in der Tür, bei Angela Merkel würde man sagen: Morgenlage. Na ja: Mittagslage.
Wussten Sie, dass Putin das Internet nur selten benutzt? Hitler hat es gar nicht verwendet.
Illustration: Dirk Schmidt